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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 5. Abhandlung): Über das Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen: eine theoretische Betrachtung — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37628#0045
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Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen. (B. 5.) 45

len usw. auf quantitative Unterschiede zurückzuführen. Hier
stehen ausführlichere chemische Untersuchungen zur Verfügung,
die auch die gleiche chemische Zusammensetzung mit quanti-
tativen Unterschieden der einzelnen Substanzen aufweisen. Viel
schwieriger liegt die Frage nach den Unterschieden von so scharf
geschiedenen Organen wie Stengel, Blätter, Wurzeln und Blüten.
Sachs hat bekanntlich für jedes dieser Organe spezifische Fermente
angenommen, aber es sind keine Tatsachen bekannt, die dieser
Hypothese zur Stütze dienen könnten. Es ist heute verfrüht, eine
bestimmte Ansicht auszusprechen. Vielleicht gelingt es doch einer
späteren Zeit, alle die mannigfaltigen Formbildungen einer ge-
gebenen Pflanzenart auf quantitative Änderungen gewisser chemisch-
physikalischen Prozesse zurückzuführen, die in allen Teilen sich an
der spezifischen Struktur unter Mitwirkung der Außenwelt abspielen.
Die ganze Darstellung ist von dem Gedanken geleitet, für die
Auffassung der Entwicklungsvorgänge vom Kausalprinzip auszu-
gehen und auch die weitgehendsten Folgerungen daraus zu ziehen,
um die Probleme in eine experimentell angreifbare Form zu bringen.
Die Frage, ob das Kausalprinzip überhaupt ausreicht, die Lebens-
vorgänge bis in das Letzte zu erklären, kann hier ganz unberührt
bleiben. Wir sind nun einmal für unser Leben, für unsere Natur-
forschung in die Schranken der Euklidischen Geometrie gebannt.
Wie die Mathematik imstande ist, sich eine Geometrie des Baumes
mit vier oder mehr Dimensionen auszudenken, so kann die Philo-
sophie sich über die Enge des Kausalprinzips hinaus auf Grund
raum- und zeitloser Prinzipien erheben und sich bemühen, eine
einheitliche Weltanschauung zu begründen. Ich brauche nur an
die Systeme von Driesch und Bergson zu erinnern. Die Natur-
forsclnmg kann sich darauf berufen, daß es unmöglich ist, die Gren-
zen für die Wirkung des Kausalprinzips wirklich festzustellen, und
sie fühlt sich daher berechtigt, solche Grenzen nicht anzuerkennen.
Selbst wenn aber diese existieren sollten, so würde trotzdem eine un-
geheure Fülle von Lebensproblemen der naturwissenschaftlichen
Forschung zugänglich sein, und sie ist es schließlich doch, welche
uns einen wirklichen Einblick in das Leben der Organismen eröffnet.
 
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