Metadaten

Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1916, 1. Abhandlung): Einige Bemerkungen über den Lichtsinn der Pulmonaten — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34596#0028
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20 (B.1)

W. V. BuDDENBROCK:

Es kann zunächst zum wirklichen Erkennen und Unter-
scheiden von Gegenständen dienen, wobei natürlich nur solche
Dinge in Betracht kommen, für welche sich das Tier ,,interessiert",
d. h. hauptsächlich Beutestücke (tierische und pflanzliche) und
Feinde. Dieser Fall, der wahrscheinlich nur bei den höchst-
organisierten Wirbellosen (Insekten, Spinnen, Cephalopoden)
realisiert ist, kommt bei den Schnecken sicherlich nicht in Frage.
Das Auge dürfte zu einer solchen Leistung viel zu einfach gebaut
sein; hiermit hängt es zusammen, daß die Nahrung, wie die Ver-
suche von STAHL und WiLLEM lehren, lediglich mit Hilfe des
Geruchsorgans gefunden wird.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit für das Auge niederer
Tiere bietet das Bewegungssehen, das ebenfalls meist auf
Feinde sich bezieht. Wobei gewöhnlich zur Unterscheidung, ob
der durch das Auge erkannte herannahende Gegenstand gefähr-
lich oder gleichgültig ist, das Geruchsorgan hinzugezogen wird.
Auch von dieser Art des Sehens konnte wenigstens bisher keine
Spur bei den Schnecken gefunden werden.
Der Beschattungsreflex endlich, der ebenfalls eine Schutz-
einrichtung gegen Feinde darstellt, hängt im Gegensatz zu vielen
anderen Tieren bei den Schnecken nicht vom Auge ab.
Das Schneckenauge dient also nicht zur Reaktion auf solche
Dinge, welche in der Umwelt der niederen Tiere die wichtigsten
sind, auf Nahrungsstoffe und Feinde. Es unterscheidet sich somit
wesentlich von den Augen sehr vieler anderer niederer Tiere, mit
denen es nur in einem Punkte verglichen werden kann: dem ge-
schickten Ausweichen von Hindernissen, wie wir es in unseren
Versuchen sahen.
Dagegen wissen wir nun durch die in der vorliegenden Arbeit
durchgeführten Versuche in rotem Licht, sowie besonders durch
die Untersuchung der Kriechspuren im Dunkeln sich bewegender
Schnecken von einer Funktion des Schneckenauges, die bei den
sonstigen Wirbellosen, zwar kaum fehlt, aber doch noch nirgends
berücksichtigt wurde: Sie finden mit Hilfe ihrer Augen ihren Weg.
Auf die biologische Bedeutung dieses letzteren Faktums möchte
ich noch ein wenig eingehen.
Im Dunkeln kriecht die Schnecke häufig in Spiralen und
Schleifen, die auf die eigene Spur zurückführen; im Hellen bewegt
sie sich einigermaßen geradlinig. Das ist natürlich nur so vor-
stellbar, daß das Tier im Hellen auf irgend welche dem Auge be-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften