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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1916, 1. Abhandlung): Einige Bemerkungen über den Lichtsinn der Pulmonaten — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34596#0029
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Einige Bemerkungen über den Lichtsinn der Pulmonaten. (B. 1) 21

sonders auffallenden Gegenstände zukriecht, wenngleich wir im
einzelnen hiervon noch nichts wissen. An sich ist diese Erschei-
nung, die ich mit dem Ausdruck Richtungssehen bezeichnen
möchte, schon längst bekannt. Ich brauche nur an die Tatsache
zu erinnern, daß auch der Mensch, will er geradeaus gehen, auf
bestimmte Punkte, die er mit dem Auge festhält, zuschreiten muß,
und daß er in einer Umgebung, wo er nirgends einen solchen
Anhaltspunkt für sein Auge finden kann, etwa in der Wüste, im
Kreise herumläuft. Bei den niederen Tieren dagegen fand diese
Art des Sehens noch gar keine Beachtung.
Es erhebt sich nun die Frage: Inwieweit ist dieses Rich-
tungssehen, das also eine einigermaßen geradlinige Fortbewegung
gewährleistet, der Schnecke von irgend welchem Vorteil ?
Angenommen, das Tier befinde sich auf der Nahrungssuche,
so erhalten wir die Antwort auf unsere Frage durch den Satz,
daß die Wahrscheinlichkeit, neue Nahrung zu finden, bei gerad-
liniger Fortbewegung um ein Vielfaches größer ist als bei einer
Bewegung in Schleifen, Spiralen und sonstigen in sich selbst
zurücklaufenden Kurven. Denn es ist ohne weiteres klar, daß die
Bodenfläche, die mit Hilfe des Geruchssinnes auf Nahrung hin
untersucht werden kann, im ersten Falle ganz bedeutend größer
ist als im zweiten, wo ein und dieselbe Stelle so und so oft vergeb-
lich passiert wird. Natürlich gilt genau die gleiche Überlegung
auch für sämtliche andere Lebensbedürfnisse des Tieres: Immer
ist die geradlinige Fortbewegung das beste und
sicherste Mittel, neue und damit günstigere Lebens-
bedingungen zu finden.
Der Nutzen, welchen das Richtungssehen dem Tiere gewähren
dürfte, scheint mir also recht verständlich zu sein, obgleich natür-
lich zuzugeben ist, daß es sich dabei um eine hypothetische Deu-
tung handelt.
Daß ich dieses Richtungssehen hier so ausführlich erörtere
und den Versuch mache, es als einen neuen Begriff in die ver-
gleichende Sinnesphysiologie einzu führen, hat seinen Grund
hauptsächlich in folgendem:
Beim Menschen und den höheren Tieren macht diese Fähig-
keit des Auges nur einen recht geringfügigen Bruchteil der Ge-
samtleistung des Sehorgans aus; bei den Landschnecken und
wahrscheinlich noch bei vielen anderen niederen Tieren dagegen
 
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