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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0027
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Die Lichtkompaßbewegung-en bei den Insekten. (B. 1) 19

Punkte P aus, so wird es mit Sicherheit die künstliche LichtqueHe
L ais Richtungspunkt nehmen, sobald sie am hellsten unter allen
Punkten seiner Umgebung ist. Es kann sich nun von P aus zwar
in jeder beliebigen Richtung bewegen wie die Pfeile auf der Skizze
es angeben, alle diejenigen Insekten aber, deren Anfangsrichtung
mit dem Lichtstrahl einen Winkel kleiner als 90 Grad einschließt,
müssen notwendigerweise zum Lichte gelangen, da sie in Spiralen
fliegen, die im Licht selbst endigen. Da, wie wir gesehen haben,
das Insekt imstande ist, seine Richtung spontan zu wechseln,
kann es von dieser Kurve aus leicht in eine Kreisbahn übergehen
oder in eine andere Spirale. Wir verstehen auf diese Weise auch,
wie es kommt, daß manche ans Licht geratene Insekten plötzlich
das Licht wieder verlassen können, um im Dunkel zu verschwinden.
Das Tier braucht nur eine der in unserer Skizze gezeichneten Spi-
ralen in umgekehrter Richtung zu durchfliegen. Alle diese merk-
würdigen, willkürlich anmutenden Bewegungen der Insekten er-
scheinen als gesetzmäßig, wenn man ihnen den Mechanismus der
Lichtkompaßbewegungen zugrunde legt.
Eine notwendige Folge unserer Erklärung des Fluges der
Insekten zur Flamme ist die Abtrennung dieses Phänomens von
den übrigen phototropischen Bewegungen. Nehmen wir ein typisch
phototropisches Tier, so werden wir stets finden, daß es genau auf
die Lichtquelle zukriecht, Kreis- oder Spiralbewegungen werden hier
niemals beobachtet. Alle Exemplare einer Tierart mit echtem
Phototropismus stellen sich unter dem Einfluß des Lichtes parallel
zueinander, legt man dagegen 100 Raupen auf einen Tisch, so
werden sie, obgleich auch durch das Licht orientiert, nach allen
Windrichtungen auseinander laufen, und nur ein Teil von ihnen
wird zum Lichte selbst hingelangen. Der Mechanismus der Be-
wegung ist eben in beiden Fällen ein grundverschiedener, dort
ein geradliniges Draufzulaufen, hier die meist krummlinige Licht-
kompaßorientierung. In genauer Übereinstimmung hiermit steht
die Tatsache, daß auch in biologischer Hinsicht die Fälle des
echten Phototropismus völlig verschieden sind von den nächtlichen
Bewegungen auf das Licht zu. Die ersteren sind samt und sonders
Anpassungsbewegungen, die durch folgende Merkmale charak-
terisiert sind:
1. Der Phototropismus ist abhängig nicht nur von dem Vor-
handensein eines deutlichen Lichtmaximums oder Minimums,
sondern auch von einem bestimmten physiologischen Reizzustande
 
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