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Y. VON WEIZSÄCKER:
maschine und eine Dynamomaschine verkoppelt sind. Die Steue-
rung der Maschinen käme dabei nicht der oxydativ-restitu-
tiven Maschine, sondern der arbeitliefernden zu; diese letz-
tere bestimmt das Tempo des Energieumsatzes. Ohne weiteres
ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Thermodynamik der
beiden Systeme gesondert zu betrachten. Es könnte im
ersten Augenblick befremden, daß die Reaktion, welche die Ener-
gie doch unzweifelhaft liefert, die Oxydation, der Arbeitsleistung
nachfolgen und überdies in ihrem Tempo von dieser Arbeitsleistung
bestimmt sein soll. Es ist aber an einem Beispiel leicht zu veran-
schaulichen, wie solche Zusammenhänge entstehen können. Stellt
man sich eine starke Batterie galvanischer Elemente mit den
Polen einer Batterie Leydener Flaschen verbunden vor, so sind
diese zunächst aufgeladen, aber isoliert, die galvanischen Elemente
geben keinen Strom ab. Sorgt man jetzt dafür, daß eine Anzahl
der Flaschen entladen wird (Analogon der Kontraktion), so wird
augenblicklich eine neue Stromabgabe an die Flaschen stattfin-
den, bis diese zum alten Potential aufgeladen sind. Diese Strom-
abgabe und die ihr entsprechende chemische Reaktion im Ele-
ment (hier das Analogon der Oxydation im Muskel) wird in ihrem
Umfang dem Lhnfang der vorhergegangenen Entladung genau
entsprechen. Dieses Beispiel entspricht der hier vertretenen An-
sicht, über die Muskelmaschine. — Im übrigen aber wird man
nach dem vorhergehenden eher zu einer einschränkenden Bewer-
tung dessen kommen, was die eigentliche Thermodynamik des
Muskels für die Enthüllung des Geheimnisses leisten kann, welches
wir Kontraktion nennen. Alles was sie leistet, bezieht sich auf
die Entwirrung der Mechanismen, die ineinander greifen müssen,
damit eine Zusammenziehung zustande kommt. Die Frage der
maximalen Arbeit in dem rein physikalischen Sinne aufzuwerfen,
ist meines Erachtens ganz verfehlt und lenkt auf unfruchtbare
Bahnen. Es kann sich nur darum handeln, welcher Nutzeffekt
in diesem oder jenem biologisch bedeutsamen Falle realisiert wird.
Daß die ,,Freie Energie" des Muskels in dem einen Falle anders
ist wie in dem andern, ohne daß sich dabei die arbeitliefernde
Reaktion ändert, ist streng genommen überhaupt nicht möglich,
denn ein jeder physikalische oder physikalisch-chemische Vorgang
hat seine freie Energie, die unveränderlich feststeht. Der
Fall, daß die maximale Arbeit als solche erscheint, ist ein idealer
Grenzfall; es hängt von unzähligen Umständen ab, wieviel
Y. VON WEIZSÄCKER:
maschine und eine Dynamomaschine verkoppelt sind. Die Steue-
rung der Maschinen käme dabei nicht der oxydativ-restitu-
tiven Maschine, sondern der arbeitliefernden zu; diese letz-
tere bestimmt das Tempo des Energieumsatzes. Ohne weiteres
ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Thermodynamik der
beiden Systeme gesondert zu betrachten. Es könnte im
ersten Augenblick befremden, daß die Reaktion, welche die Ener-
gie doch unzweifelhaft liefert, die Oxydation, der Arbeitsleistung
nachfolgen und überdies in ihrem Tempo von dieser Arbeitsleistung
bestimmt sein soll. Es ist aber an einem Beispiel leicht zu veran-
schaulichen, wie solche Zusammenhänge entstehen können. Stellt
man sich eine starke Batterie galvanischer Elemente mit den
Polen einer Batterie Leydener Flaschen verbunden vor, so sind
diese zunächst aufgeladen, aber isoliert, die galvanischen Elemente
geben keinen Strom ab. Sorgt man jetzt dafür, daß eine Anzahl
der Flaschen entladen wird (Analogon der Kontraktion), so wird
augenblicklich eine neue Stromabgabe an die Flaschen stattfin-
den, bis diese zum alten Potential aufgeladen sind. Diese Strom-
abgabe und die ihr entsprechende chemische Reaktion im Ele-
ment (hier das Analogon der Oxydation im Muskel) wird in ihrem
Umfang dem Lhnfang der vorhergegangenen Entladung genau
entsprechen. Dieses Beispiel entspricht der hier vertretenen An-
sicht, über die Muskelmaschine. — Im übrigen aber wird man
nach dem vorhergehenden eher zu einer einschränkenden Bewer-
tung dessen kommen, was die eigentliche Thermodynamik des
Muskels für die Enthüllung des Geheimnisses leisten kann, welches
wir Kontraktion nennen. Alles was sie leistet, bezieht sich auf
die Entwirrung der Mechanismen, die ineinander greifen müssen,
damit eine Zusammenziehung zustande kommt. Die Frage der
maximalen Arbeit in dem rein physikalischen Sinne aufzuwerfen,
ist meines Erachtens ganz verfehlt und lenkt auf unfruchtbare
Bahnen. Es kann sich nur darum handeln, welcher Nutzeffekt
in diesem oder jenem biologisch bedeutsamen Falle realisiert wird.
Daß die ,,Freie Energie" des Muskels in dem einen Falle anders
ist wie in dem andern, ohne daß sich dabei die arbeitliefernde
Reaktion ändert, ist streng genommen überhaupt nicht möglich,
denn ein jeder physikalische oder physikalisch-chemische Vorgang
hat seine freie Energie, die unveränderlich feststeht. Der
Fall, daß die maximale Arbeit als solche erscheint, ist ein idealer
Grenzfall; es hängt von unzähligen Umständen ab, wieviel