24 (B. 1)
Robert Lauterborn:
Es erscheint mir nun schon aus klimatischen Gründen aus-
geschlossen, daß zu einer Zeit, wo Herden des Moschusochsen die
Tundren am Mittelrhein durchzogen, hier auch wärmebedürftige
südliche Tiere und Pflanzen auszudauern vermochten. Vergegen-
wärtigen wir uns weiter noch, daß deren jetziges Hauptgebiet,
das Rheintal selbst mit seinen Hängen und Felsen, überhaupt erst
seit dem mittleren Diluvium nach und nach ausgetieft wurde, so
müssen wir zu dem Schluß kommen, daß der ganze heute so reiche
Bestand südlicher Elemente hier keinen Überrest einer präglazialen
Fauna und Flora darstellt, sondern erst nach dem Höhepunkt der
eigentlichen Eiszeit bei uns eingewandert ist. Die trocken-warme
Steppenperiode bot hierfür nach jeder Richtung hin die besten
Bedingungen; auch spätere Zeiten dürften unter dem Einfluß
der Kultur noch manchen Zuzug gebracht und die Verbreitungs-
gebiete einzelner Arten erweitert haben.
Zwei Hauptwege standen den südlichen Zuwanderern nach
dem Mittelrhein offen. Der eine führte vom Oberrhein her und
folgte den Vorhügeln der Randgebirge, der andere zog sich das
Tal der Mosel entlang, deren Oberlauf mit seinen Zuflüssen weit
gegen das französische Becken hinübergreift. Diejenigen südlichen
Tiere und Pflanzen des Mittelrheins, die daneben auch entlang des
Oberrheins sowie an der Mosel verbreitet sind, haben wohl beide
Wege benutzt. Eine Einwanderung allein von der Mosel her dürfen
wir für jene Arten annehmen, die den angrenzenden Gebieten des
Oberrheins fehlen oder höchstens auf dessen südlichsten Strecke
gefunden werden. Das gilt von Tieren besonders für Tropidönotus
tessellatus, Carthusiana carthusiana, Asida sabulosa, von Pflanzen
für Iberis intermedia, die bei Boppard ihren einzigen Standort in
Deutschland besitzt. Der im Moseltal verbreitete Buxus seniper-
virens sowie Tamus communis haben den Mittelrhein nicht erreicht.
So steht also der Mittelrhein sowohl nach Süden als nach Westen
hin mit dem mediterranen Gebiet in Verbindung, ein Umstand,
der das Vordringen wärmeliebender Arten von dort nach dem
Rheintal doppelt begünstigen mußte. Besonders charakteristisch
für die Rheinlande sind dabei die vorherrschend west-medi-
terranen Elemente, die hier die Nordostgrenze ihrer Verbrei-
tung erreichen. Hierher gehören von Pflanzen Acer monspessu-
lanum, Iberis intermedia, Sinapis cheiranthus, Orobanche biederae,
Aceras anthropophora, Limodorum abortivum (beide Orchideen
nur bei Linz), sowie die Moose Tortula canescens, T. inermis,
Robert Lauterborn:
Es erscheint mir nun schon aus klimatischen Gründen aus-
geschlossen, daß zu einer Zeit, wo Herden des Moschusochsen die
Tundren am Mittelrhein durchzogen, hier auch wärmebedürftige
südliche Tiere und Pflanzen auszudauern vermochten. Vergegen-
wärtigen wir uns weiter noch, daß deren jetziges Hauptgebiet,
das Rheintal selbst mit seinen Hängen und Felsen, überhaupt erst
seit dem mittleren Diluvium nach und nach ausgetieft wurde, so
müssen wir zu dem Schluß kommen, daß der ganze heute so reiche
Bestand südlicher Elemente hier keinen Überrest einer präglazialen
Fauna und Flora darstellt, sondern erst nach dem Höhepunkt der
eigentlichen Eiszeit bei uns eingewandert ist. Die trocken-warme
Steppenperiode bot hierfür nach jeder Richtung hin die besten
Bedingungen; auch spätere Zeiten dürften unter dem Einfluß
der Kultur noch manchen Zuzug gebracht und die Verbreitungs-
gebiete einzelner Arten erweitert haben.
Zwei Hauptwege standen den südlichen Zuwanderern nach
dem Mittelrhein offen. Der eine führte vom Oberrhein her und
folgte den Vorhügeln der Randgebirge, der andere zog sich das
Tal der Mosel entlang, deren Oberlauf mit seinen Zuflüssen weit
gegen das französische Becken hinübergreift. Diejenigen südlichen
Tiere und Pflanzen des Mittelrheins, die daneben auch entlang des
Oberrheins sowie an der Mosel verbreitet sind, haben wohl beide
Wege benutzt. Eine Einwanderung allein von der Mosel her dürfen
wir für jene Arten annehmen, die den angrenzenden Gebieten des
Oberrheins fehlen oder höchstens auf dessen südlichsten Strecke
gefunden werden. Das gilt von Tieren besonders für Tropidönotus
tessellatus, Carthusiana carthusiana, Asida sabulosa, von Pflanzen
für Iberis intermedia, die bei Boppard ihren einzigen Standort in
Deutschland besitzt. Der im Moseltal verbreitete Buxus seniper-
virens sowie Tamus communis haben den Mittelrhein nicht erreicht.
So steht also der Mittelrhein sowohl nach Süden als nach Westen
hin mit dem mediterranen Gebiet in Verbindung, ein Umstand,
der das Vordringen wärmeliebender Arten von dort nach dem
Rheintal doppelt begünstigen mußte. Besonders charakteristisch
für die Rheinlande sind dabei die vorherrschend west-medi-
terranen Elemente, die hier die Nordostgrenze ihrer Verbrei-
tung erreichen. Hierher gehören von Pflanzen Acer monspessu-
lanum, Iberis intermedia, Sinapis cheiranthus, Orobanche biederae,
Aceras anthropophora, Limodorum abortivum (beide Orchideen
nur bei Linz), sowie die Moose Tortula canescens, T. inermis,