Anatomie ais pädagogische Aufgabe.
(B. 6) 27
Die Anatomie des Alenschen, in jenem allgemeinen Sinn ver-
standen, der einleitend klar gestellt ward, hat eine unbedingt große
allgemeine Bildungsaufgabe neben ihrer Berufung, den künftigen
Ärzten sichere Grundlagen zu schaffen. Ich möchte verlangen,
daß jeder anatomische Lehrer sich dieser Aufgabe voll bewußt
wird und einen Teil seiner Kraft in den Dienst auch dieser Aufgabe
stellt. Fühlt er sich so schon überlastet, und er hat oft ein Recht
dazu, das zu tun, dann muß eben eine zweckdienlichere Art der
Arbeitsteilung erstrebt werden, die allgemeine Bildungsaufgabe
unseres Faches ist zu wesentlich, als daß sie einfach mehr oder
minder vernachlässigt werden könnte. Ich halte an der Einheit
des Lehrgegenstandes gegenüber der Vielseitigkeit der methodischen
Betrachtungsweise zu unbedingt fest, als daß ich wünschen könnte,
es möchte diese allgemeine Bildungsaufgabe übergehen an jenes
um Selbständigkeit ringende Fach der physischen Anthropologie,
für dessen Ausbau und Blüte ich im übrigen das größte Interesse
hege. Aber der Weg ist nicht der der Trennung, sondern der
Zusammenarbeit, nicht der der Über- und Unterordnung, sondern
des gemeinsamen Wirkens in den großen, nach allen Seiten des
Ausbaues fähigen anatomischen Instituten, für deren organi-
satorische Lenkung ich ein kollegiales System erstreben möchte.
Nur in solchen Instituten können jene Sammlungen angelegt, jene
frischen Objekte gezeigt werden, die der Unterricht in seinen ver-
schiedenen Richtungen bedarf. Nur dieser Weg bedeutet Sparsam-
keit auf der einen und größte Leistungsfähigkeit auf der anderen
Seite, und wenn die Anhänglichkeit der Alenschen an die bestehende
Ordnung zurzeit diesen Weg noch nicht als den richtigen und allein
verheißungsvollen anerkennen will, so wird, deß bin ich überzeugt,
die Zukunft uns diesen Weg doch gehen lehren.
Ob die allgemeine Bildungsaufgabe der Anatomie in ihrem
Gesamtumfang mehr in Form von Volkshochschulvorlesungen oder
mehr im Sinne der Vorlesungen für Hörer aller Fakultäten zu gestal-
ten ist, das wird im Einzelfall vielleicht verschieden zu beant-
worten sein. Unter Umständen kann sehr wohl beides in Betracht
kommen. Auch da hat das lebendige Bedürfnis, und dieses halte
ich für recht groß, die Alittel zu bestimmen. Jedenfalls sollte jede
Universität Gelegenheit bieten, im Laufe weniger Semester einen
großen Überblick über den menschlichen Organismus, seine anato-
mische, physiologische und anthropologische Seite so zu gewinnen,
daß man nicht von seichter Oberflächlichkeit zu sprechen Gelegen-
(B. 6) 27
Die Anatomie des Alenschen, in jenem allgemeinen Sinn ver-
standen, der einleitend klar gestellt ward, hat eine unbedingt große
allgemeine Bildungsaufgabe neben ihrer Berufung, den künftigen
Ärzten sichere Grundlagen zu schaffen. Ich möchte verlangen,
daß jeder anatomische Lehrer sich dieser Aufgabe voll bewußt
wird und einen Teil seiner Kraft in den Dienst auch dieser Aufgabe
stellt. Fühlt er sich so schon überlastet, und er hat oft ein Recht
dazu, das zu tun, dann muß eben eine zweckdienlichere Art der
Arbeitsteilung erstrebt werden, die allgemeine Bildungsaufgabe
unseres Faches ist zu wesentlich, als daß sie einfach mehr oder
minder vernachlässigt werden könnte. Ich halte an der Einheit
des Lehrgegenstandes gegenüber der Vielseitigkeit der methodischen
Betrachtungsweise zu unbedingt fest, als daß ich wünschen könnte,
es möchte diese allgemeine Bildungsaufgabe übergehen an jenes
um Selbständigkeit ringende Fach der physischen Anthropologie,
für dessen Ausbau und Blüte ich im übrigen das größte Interesse
hege. Aber der Weg ist nicht der der Trennung, sondern der
Zusammenarbeit, nicht der der Über- und Unterordnung, sondern
des gemeinsamen Wirkens in den großen, nach allen Seiten des
Ausbaues fähigen anatomischen Instituten, für deren organi-
satorische Lenkung ich ein kollegiales System erstreben möchte.
Nur in solchen Instituten können jene Sammlungen angelegt, jene
frischen Objekte gezeigt werden, die der Unterricht in seinen ver-
schiedenen Richtungen bedarf. Nur dieser Weg bedeutet Sparsam-
keit auf der einen und größte Leistungsfähigkeit auf der anderen
Seite, und wenn die Anhänglichkeit der Alenschen an die bestehende
Ordnung zurzeit diesen Weg noch nicht als den richtigen und allein
verheißungsvollen anerkennen will, so wird, deß bin ich überzeugt,
die Zukunft uns diesen Weg doch gehen lehren.
Ob die allgemeine Bildungsaufgabe der Anatomie in ihrem
Gesamtumfang mehr in Form von Volkshochschulvorlesungen oder
mehr im Sinne der Vorlesungen für Hörer aller Fakultäten zu gestal-
ten ist, das wird im Einzelfall vielleicht verschieden zu beant-
worten sein. Unter Umständen kann sehr wohl beides in Betracht
kommen. Auch da hat das lebendige Bedürfnis, und dieses halte
ich für recht groß, die Alittel zu bestimmen. Jedenfalls sollte jede
Universität Gelegenheit bieten, im Laufe weniger Semester einen
großen Überblick über den menschlichen Organismus, seine anato-
mische, physiologische und anthropologische Seite so zu gewinnen,
daß man nicht von seichter Oberflächlichkeit zu sprechen Gelegen-