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Wilhelm Wmdelband:
fassung dieses Verhältnisses möchte ich in den folgenden Über-
legungen an einem besonderen, allerdings dem grundlegenden
Verhältnis reflexiver und konstitutiver Kategorien darlegen.
I.
An der fundamentalen Voraussetzung für alle Synthesis,
der Funktion der Unterscheidung, entwickelt sich als deren
Grenzfall die Grundkategorie der reflexiven Reihe, die Gleich-
heit; ihr korrespondiert auf der Seite der gegenständlichen Be-
ziehungen, der konstitutiven Kategorien, die Identität, welche
in diesem Sinne nichts anderes bedeutet als seiende Gleich-
heit. Sie tritt da ein, wo das Denken eine Mehrheit gleich be-
fundener oder vorausgesetzter Inhalte trotz ihrer zeitlichen
Unterscheidung auf eine heharrende gegenständliche Einheit
bezieht.
Nur wenn man in dieser Weise die Identität auf das Sein
hezieht, die Gleichheit aher von dieser Beziehung unabhängig
macht, kann man eine verständige Unterscheidung zwischen
den beiden Ausdrücken gewinnen, die in der alltägiichen
Sprache miteinander und mit der „Selbigkeit“ promiscue an-
gewendet werden. „Das Gleiche“, „Dasselbe“, „Das Identische“
diese Bezeichnungen werden in der gewöhnlichen Rede
meist miteinander vertauschbar gebraucht. Deshalb aber ist
auch die philosophische Terminologie darüber keineswegs ein-
heitlicli. So behandelt z. B. E. v. Hartmann die Identität oder
„Dieselbigkeit“ als den „höchsten Grad der Gleichheit“ 2), stellt
also beide damit in ein nur graduelles Verhältnis: andererseits
hetont Cohen gern den prinzipiellen Unterschied beider Ter-
mini 3), indem er Identität als Bejahung und Sicherung des
logischen Inhalts 4) hestimmt und Gleichheit nur als einen
mathematischen Begriff gelten lassen will. 5)
Demgegenüher scheint mir die klarste und schärfste De-
fmition noch immer die von Aristoteles zu sein, von der ab-
zugehen kein zwingender Grund vorfiegt. In dem Abriß der
Terminologie, der als viertes (alias fünftes) Buch der so-
genannten Metaphysik erhalten ist, entwickelt er unter den
2) Kategorienlehre (1896), p. 198.
3) Logik cler reinen Erkenntnis (1902), p. 84ff., 291, 416.
D A. a. 0., p. 80f.
5) A. a. 0., p. 189.
Wilhelm Wmdelband:
fassung dieses Verhältnisses möchte ich in den folgenden Über-
legungen an einem besonderen, allerdings dem grundlegenden
Verhältnis reflexiver und konstitutiver Kategorien darlegen.
I.
An der fundamentalen Voraussetzung für alle Synthesis,
der Funktion der Unterscheidung, entwickelt sich als deren
Grenzfall die Grundkategorie der reflexiven Reihe, die Gleich-
heit; ihr korrespondiert auf der Seite der gegenständlichen Be-
ziehungen, der konstitutiven Kategorien, die Identität, welche
in diesem Sinne nichts anderes bedeutet als seiende Gleich-
heit. Sie tritt da ein, wo das Denken eine Mehrheit gleich be-
fundener oder vorausgesetzter Inhalte trotz ihrer zeitlichen
Unterscheidung auf eine heharrende gegenständliche Einheit
bezieht.
Nur wenn man in dieser Weise die Identität auf das Sein
hezieht, die Gleichheit aher von dieser Beziehung unabhängig
macht, kann man eine verständige Unterscheidung zwischen
den beiden Ausdrücken gewinnen, die in der alltägiichen
Sprache miteinander und mit der „Selbigkeit“ promiscue an-
gewendet werden. „Das Gleiche“, „Dasselbe“, „Das Identische“
diese Bezeichnungen werden in der gewöhnlichen Rede
meist miteinander vertauschbar gebraucht. Deshalb aber ist
auch die philosophische Terminologie darüber keineswegs ein-
heitlicli. So behandelt z. B. E. v. Hartmann die Identität oder
„Dieselbigkeit“ als den „höchsten Grad der Gleichheit“ 2), stellt
also beide damit in ein nur graduelles Verhältnis: andererseits
hetont Cohen gern den prinzipiellen Unterschied beider Ter-
mini 3), indem er Identität als Bejahung und Sicherung des
logischen Inhalts 4) hestimmt und Gleichheit nur als einen
mathematischen Begriff gelten lassen will. 5)
Demgegenüher scheint mir die klarste und schärfste De-
fmition noch immer die von Aristoteles zu sein, von der ab-
zugehen kein zwingender Grund vorfiegt. In dem Abriß der
Terminologie, der als viertes (alias fünftes) Buch der so-
genannten Metaphysik erhalten ist, entwickelt er unter den
2) Kategorienlehre (1896), p. 198.
3) Logik cler reinen Erkenntnis (1902), p. 84ff., 291, 416.
D A. a. 0., p. 80f.
5) A. a. 0., p. 189.