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Windelband, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 14. Abhandlung): Über Gleichheit und Identität — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32160#0005
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Über Gleichheit und Identität.

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BegriffeTt der Relation (Tipoq ri), und zwar zunächst der nume-
rischen 6), exi xö i'crov Kai öpoiov Kai rauxö . . . Kaxd yap xö ev Xeyexai
TrdvTa. TauTd pev qap öjv i) oudia pia, ö,uoia ö ujv f] ttoiotii^ pia,
icra öe ujv tö ttouöv ev. Die evÖTi]«; 7), die numerische Einheit
oder Selbigkeit, die damit als der Oberbegriff üher der
Identität und den heiden Arten der Gleichheit erscheint,
drücken wir im Deutschen am hesten durch „ein und das-
selbe“ aus. Ein und dasselbe ist der Inhalt cler (als Funk-
tionen) verschiedenen Vorstellungen, die wir auf die eine ihnen
als Gegenstand entsprechende Wirklichkeit, auf das „identische“
Ding (ouöia) heziehen: ein und dasselbe sincl die Eigen-
schaften oder clie Größen, auf die wir reflektieren, wenn wir
irgendwelche Inhalte in irgendeiner Hinsicht gleich nennen.
Ehen daraus erklärt es sich, daß die um begriffliche Schärfe un-
bekünnnerte Sprache dies „ein und classelbe“ heliehig halcl als
iclentisch, bald als gleich bezeichnet.

Die dreiteilige Koordination Taurö, öpoiov, i'crov, der an anderer
Stelle 8) die entsprechende Teilung cles Mehrfachen (Tr\fjbo<Q in ÖTepov,
avöpoiov, dvicrov hinzugefügt wird, ist hei äristoteles auf clie clrei
Kategorien oucna, ttoiöv, ttoctöv iiezogen. Das damit gemeinte Ver-
hältnis von ögoiov uncl ürov wircl besonders klar durch eine Stelle in
den „Kategorien“ 9), wo clas i'crov als das i'öiov tou ttoö'oü dargelegt
wird, und wo es ausdrücklich heißt, claß es auf andere als
quantitative Bestimmungen nicht angewendet werden sollte.
Diesem spezifisch quantitativen Begriff cler Gleichheit entspricht
auch völlig die bekannte Verwendung, die er bei Aristoteles
für die Defmition und die Einteilung der Gerechtigkeit ge-
funden hat. 10) Im Deutschen aher haben wir diese Beschrän-
kung der Bedeutung von „gleich“ auf die Ouanta nicht; wir
nennen auch die ttoiü, die Eigenschaften gleich, und wir haben
andererseits kein eigenes Wort für das „Ein und dasselbe in
der Qualität“, was Äristoteles mit öpoiov rneint. Wir müssen

6) Met. 1021a, 10. Näher ansgeführt, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf
diese Bestimmungen in den bicupeaeiq, fmdet sich dasselbe auch Met. 1054a, 29.

7) Ygl. Met. 1018a, 7 : f] TauTÖxrii; evÖTr)i; hq öOtiv.

8) Met. 1054a, 31.

9) Cat. 6a, 26.

10) Im fünften Buch der Nikomachischen Ethik; vgl. besonders daselbst
1131a, 11 : ev ÖTrota jäp TtpdSei öot! tö TrXeov Kai tö ^XaTTOv, eOTi Kai tö i'oov.
Es ist aber besonders hervorzuheben, daß eben deshalb diese Ahleitung bei Aristo-
teles nur für-eine Art der Gerechtigkeit gilt: vgl. daselbst 1130h, 5ff.
 
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