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Wilhelm Windelband:
daher öjuoiov und iciov. um der von dem Philosophen betonten
Beziehung anf die Kategorien gerecht zu werden, mit „quali-
tative und quantitative Gleichheit“ übersetzen. Daher ist es
nicht ganz zutreffend und unter Umständen irreführend, öqoiov
hier mit „ähnlich“ wiederzugeben. 11) Diesen Sinn hat das
Wort freilich in der gewöhnlic.hen Sprache, und demgemäß
zweifellos oft auch bei Aristoteles; ja er registriert selbst 12)
die verschiedenen möglichen Bedeutungen: öqoia Xefetai xö xe ttövtp
Tanxö TieTrovüÖTa xai töc TiXeiuj TauTÖt TreTrovttÖTa f\ örepa Kai ujv f]
TToiÖTqq qia. Daß das letztere gelten soll, wenn es sich um
die begriffliche Gegenüberstellung zum TauTÖ und zum i'crov
handelt, lehren die oben erwähnten Stellen. Diese Bedeutung
der qualitativen Gleichheit hat das Wort bei Aristoteles auch
sonst, wo es im eigentlichen Sinne terminologisch verwendet
wird. Es mag genügen, an den (bei dem Bericht über Anaxa-
goras geprägten) Begriff des chemischen Elements zu erinnern:
öqoiojuepes, womit der Stoff gemeint ist, der bei jeder Teilung
in quantitativ verschiedene, qualitativ dagegen nicht etwa „ähn-
liche“, sondern gleiche Teile zerfällt. 13) 'OqoiÖTp^ also als quali-
tative Gleichheit sollte nicht mit Ähnlichkeit wiedergegeben
werden, weil wir unter „ähnlich“ für gewöhnlich etwas ganz
anderes, nämlich vorwiegende (wie oben Aristoteles selbst das
öqoiov im weiteren Sinne erklärt) oder relative Gleichheit ver-
stehen. In letzterem Sinne gilt. uns bekanntlich die Ähnlich-
keit auch für Quanta, wenn z. B. in der Planimetrie uncl Stereo-
metrie Figuren wegen der Gleichheit nicht ihrer Größen,
sondern ihrer Größenverhältnisse als ähnlich bezeichnet
werden. 11)
Mit Aristoteles sollte man also „Identität“ als gegen-
ständliche Kategorie aufrechterhalten: nur mit clem Unier-
schiede, daß clas Gegenständliche für ihn metaphysische,
X1) Auch in der vortrefflichen Übertragung der Metaphysik von Adolf
Lasson (Jena 1907) ist, offenbar wegen des Mangels eines geeigneten
deutschen Wortes „Ahnlichkeit“ gewählt: S. 191 und 307.
12) Met. 1018a, 15.
13) Gelegentlich sei darauf hingewiesen, daß man die begrifflichen
Formen, in denen der bekannte große kirchenpolitische Streit um das i aus-
gefochten wurde, völlig mißverstehen würde, wenn man in der Zusammen-
setzung opoioüoioi; das öpoiov auf Ähnlichkeit statt auf qualitative Gleichheit
deuten wollte.
14) Vgl. Arist. Met. 1054b, 3.
Wilhelm Windelband:
daher öjuoiov und iciov. um der von dem Philosophen betonten
Beziehung anf die Kategorien gerecht zu werden, mit „quali-
tative und quantitative Gleichheit“ übersetzen. Daher ist es
nicht ganz zutreffend und unter Umständen irreführend, öqoiov
hier mit „ähnlich“ wiederzugeben. 11) Diesen Sinn hat das
Wort freilich in der gewöhnlic.hen Sprache, und demgemäß
zweifellos oft auch bei Aristoteles; ja er registriert selbst 12)
die verschiedenen möglichen Bedeutungen: öqoia Xefetai xö xe ttövtp
Tanxö TieTrovüÖTa xai töc TiXeiuj TauTÖt TreTrovttÖTa f\ örepa Kai ujv f]
TToiÖTqq qia. Daß das letztere gelten soll, wenn es sich um
die begriffliche Gegenüberstellung zum TauTÖ und zum i'crov
handelt, lehren die oben erwähnten Stellen. Diese Bedeutung
der qualitativen Gleichheit hat das Wort bei Aristoteles auch
sonst, wo es im eigentlichen Sinne terminologisch verwendet
wird. Es mag genügen, an den (bei dem Bericht über Anaxa-
goras geprägten) Begriff des chemischen Elements zu erinnern:
öqoiojuepes, womit der Stoff gemeint ist, der bei jeder Teilung
in quantitativ verschiedene, qualitativ dagegen nicht etwa „ähn-
liche“, sondern gleiche Teile zerfällt. 13) 'OqoiÖTp^ also als quali-
tative Gleichheit sollte nicht mit Ähnlichkeit wiedergegeben
werden, weil wir unter „ähnlich“ für gewöhnlich etwas ganz
anderes, nämlich vorwiegende (wie oben Aristoteles selbst das
öqoiov im weiteren Sinne erklärt) oder relative Gleichheit ver-
stehen. In letzterem Sinne gilt. uns bekanntlich die Ähnlich-
keit auch für Quanta, wenn z. B. in der Planimetrie uncl Stereo-
metrie Figuren wegen der Gleichheit nicht ihrer Größen,
sondern ihrer Größenverhältnisse als ähnlich bezeichnet
werden. 11)
Mit Aristoteles sollte man also „Identität“ als gegen-
ständliche Kategorie aufrechterhalten: nur mit clem Unier-
schiede, daß clas Gegenständliche für ihn metaphysische,
X1) Auch in der vortrefflichen Übertragung der Metaphysik von Adolf
Lasson (Jena 1907) ist, offenbar wegen des Mangels eines geeigneten
deutschen Wortes „Ahnlichkeit“ gewählt: S. 191 und 307.
12) Met. 1018a, 15.
13) Gelegentlich sei darauf hingewiesen, daß man die begrifflichen
Formen, in denen der bekannte große kirchenpolitische Streit um das i aus-
gefochten wurde, völlig mißverstehen würde, wenn man in der Zusammen-
setzung opoioüoioi; das öpoiov auf Ähnlichkeit statt auf qualitative Gleichheit
deuten wollte.
14) Vgl. Arist. Met. 1054b, 3.