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Windelband, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 14. Abhandlung): Über Gleichheit und Identität — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32160#0007
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Über Gleichheit nnd Identität.

7

für das moderne, kritische Denken dagegen transzendentale Be-
deutung hat. Gleichheit dagegen, qualitative wie quantitative,
ist eine Denkform der Reflexion, welche nur für die Vor-
stellungsinhalte als solche ohne jede gegenständliche Be-
ziehung gilt.

Beide aher, Identität und Gleichheit, sind Kategorien, d. h.
Beziehungen, die eben deshalb eine Mehrheit, zum mindesten
also zwei aufeinander zu beziehende Inhalte voraussetzen
und nur an diesen ihren Erkenntniswert entfalten. Jedes Mo-
ment dieser Mehrheit muß von dem andern irgendwie unter-
schieden und deshalb in sich völlig bestinunt sein. Will man
diese unverrückbare Fixierung jedes Moments im Denken noch
wieder als logische Identität bezeichnen, wie es namentlich
Cohen im Anschluß an die traditionelle Formel des soge-
nannten Identitätsprinzips „A ist A“ mit hesonderer Emphase
hervorhebt 15), so ist dagegen an sich nichts einzuwenden; wir
haben darin die reine einfache evotpg und das, was man im
Deutschen als reine „Selbigkeit“ 16) bezeichnen könnte: aber das
ist die letzte Grundbedingung fiir alles Denken überhaupt und
insbesondere für alle Kategorien. Denn keine Beziehung ist
zu denken, wenn nicht die Momente, die sie verknüpfen soll,
je eindeutig in sich bestimmt sind. Aus diesem logischen
Prinzip der absoluten Position folgt für alles soziale, empi-
rische Denken das methodologische Prinzip der eindeutigen Be-
stimmung des Wortsinns 17), während die Erkenntnistheorie die
Lösung der Frage nach dem Rechte, womit wir annehmen, „daß
das, was wir denken, eben dasselbe sei, was wir einen Augen-
blick zuvor dachten“ 18), doch wohl immer in der Richtung
der Lehre von der transzendentalen Apperzeption wird suchen
müssen, die Kant daraus als Postulat entwickelt hat. Aber
diese „Identität“ des Selbstbewußtseins ist keine Kategorie,
sondern die allgemeine Bedingung des kategorialen Denkens
überhaupt. 19) Deshalb sollte man aber auch diesen Grundakt

15) A. a. 0., p. 78fi.

16) Der Ausdruck „Einerleiheit“, der dafür wohl gelegentlich vorge-
schlagen worden ist, scheint mir wegen seines mitschwingenden Nebensinns
nicht glücklich.

17) Ygl. z. B. Sigwart, Logik II 3, p. 34fi.

18) Vgl. Kant, Kritik d. reinen Vern., A. 103, W. W. IV, 79.

19) Das tritt mit großer Klarheit in Kants Transzendentaler Deduktion
der reinen Verstandesbegriffe, namentlich in der ersten Auflage, zutage.
 
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