Wilbelm Windelbancl:
16
dacht wird, handelt ns sich immer darum, daß verschiedene
Vorstellungen auf ein und denselben Gegenstand, auf ein nnd
d.ieselhe, sei es metaphysische, sei es empirische Realität be-
zogen werden. 39) Der eihfachste Fall ist dabei der, daß die
verschiedenen Vorstellungen inhaltlich gleich sind. Doch ist das
durchaus nicht unbedingt erforderlich; ja, diese Urform ist
nicht einmal die häufigste, und sie ist keineswegs die wichtigste
und wertvollst.e Anwendung der Kategorie. Aber selbst in den
extremsten und interessantesten Formen, bei denen von einer
Gleichheit der auf das Identische bezogenen Vorstellungen über-
haupt keine Rede mehr ist, bleibt doch in der Kategorie selbst
die Voraussetzung bestehen, daß alle die dadurch verknüpften
Vorstellungen trotz weitestgehender Ungleichheit ihres Inhaltes
auf ein und dieselbe ,,immerdar sich selbst gleiche“ Wirklich-
keit bezogen werden, selbst wenn diese identische Piealität
in keiner Weise inhaltlich bestimmt werden kann. Die ,,reale
Gleichheit“ ist dann nur gedacht und vorausgesetzt, aber nicht
als solche erkannt: sie bleibt ein Postulat, das sich aber für
unser Weltdenken als unentbehrlich erweist.
So steht die Identität in einer bunten Mannigfaltigkeit
von Beziehungen zur Gleichheit. Wie wenig sogar vollständige,
ununterscheidbare Gleichheit der Vorstellungsinhalte mit Iden-
tität zusammenfällt, erfahren wir z. B. an den Schlägen der
Uhr oder sonst an rasch aufeinanderfolgenden gleichen Tönen
eines Instruments, die mit voller Sicherheit auf verschiedene,
einander objekt.iv folgen.de Schallereignisse gedeutet werden:
ebenso zählen wir nebeneinanderliegende, völlig gleiche Ivugeln
als verschiedene Dinge. Man wird zunächst sagen, es be-
stünden doch ehen Verschiedenheiten, das eine Mal solche der
Zeit, clas andere Mal solche des Raumes, der Lage usw.: aber
die zeitliche Verschiedenheit trifft auch für zwei diskrete, aber
unmittelbar aufeinanderfolgende Gesichtseindrücke zu, die wir
mit derselben Sicherheit auf einen identischen Gegenstand be-
ziehen; und ebenso werden wir an der Identität eines solchen
Gegenstandes dadurch noch nicht irre, daß wir ihn hinter-
39) Wie sehr es sich dabei wesentlich um die Beziehung zur Realität
handelt, gelit aucli daraus hervor, daß, wo diese fortfällt, wie es tatsächlich
für die Mathematik gilt, der Unterschied von Gleichheit und Tdentität auf-
hört. Das hal Aristoteles, Mef. 7054a, 35, angedeutet. Vgl. aucjj hei Cohen,
a. a. 0., p. 291.
16
dacht wird, handelt ns sich immer darum, daß verschiedene
Vorstellungen auf ein und denselben Gegenstand, auf ein nnd
d.ieselhe, sei es metaphysische, sei es empirische Realität be-
zogen werden. 39) Der eihfachste Fall ist dabei der, daß die
verschiedenen Vorstellungen inhaltlich gleich sind. Doch ist das
durchaus nicht unbedingt erforderlich; ja, diese Urform ist
nicht einmal die häufigste, und sie ist keineswegs die wichtigste
und wertvollst.e Anwendung der Kategorie. Aber selbst in den
extremsten und interessantesten Formen, bei denen von einer
Gleichheit der auf das Identische bezogenen Vorstellungen über-
haupt keine Rede mehr ist, bleibt doch in der Kategorie selbst
die Voraussetzung bestehen, daß alle die dadurch verknüpften
Vorstellungen trotz weitestgehender Ungleichheit ihres Inhaltes
auf ein und dieselbe ,,immerdar sich selbst gleiche“ Wirklich-
keit bezogen werden, selbst wenn diese identische Piealität
in keiner Weise inhaltlich bestimmt werden kann. Die ,,reale
Gleichheit“ ist dann nur gedacht und vorausgesetzt, aber nicht
als solche erkannt: sie bleibt ein Postulat, das sich aber für
unser Weltdenken als unentbehrlich erweist.
So steht die Identität in einer bunten Mannigfaltigkeit
von Beziehungen zur Gleichheit. Wie wenig sogar vollständige,
ununterscheidbare Gleichheit der Vorstellungsinhalte mit Iden-
tität zusammenfällt, erfahren wir z. B. an den Schlägen der
Uhr oder sonst an rasch aufeinanderfolgenden gleichen Tönen
eines Instruments, die mit voller Sicherheit auf verschiedene,
einander objekt.iv folgen.de Schallereignisse gedeutet werden:
ebenso zählen wir nebeneinanderliegende, völlig gleiche Ivugeln
als verschiedene Dinge. Man wird zunächst sagen, es be-
stünden doch ehen Verschiedenheiten, das eine Mal solche der
Zeit, clas andere Mal solche des Raumes, der Lage usw.: aber
die zeitliche Verschiedenheit trifft auch für zwei diskrete, aber
unmittelbar aufeinanderfolgende Gesichtseindrücke zu, die wir
mit derselben Sicherheit auf einen identischen Gegenstand be-
ziehen; und ebenso werden wir an der Identität eines solchen
Gegenstandes dadurch noch nicht irre, daß wir ihn hinter-
39) Wie sehr es sich dabei wesentlich um die Beziehung zur Realität
handelt, gelit aucli daraus hervor, daß, wo diese fortfällt, wie es tatsächlich
für die Mathematik gilt, der Unterschied von Gleichheit und Tdentität auf-
hört. Das hal Aristoteles, Mef. 7054a, 35, angedeutet. Vgl. aucjj hei Cohen,
a. a. 0., p. 291.