Wilhelm Windelband:
ihm durch keine inhaltliche Erkenntnis des konstant Gleichen
genügt werden kann, anfrechterhalten zu werden pflegt.
Der konstitutive Sinn der Kategorie der Identität entwickelt
sich, wie diese kurzen Bemerkungen schon zeigen, zunächst
in der Richtung der Denkformen der Dinghaftigkeit und der
Substanz 48): aber die Identität erstreckt ihre Bedeutsamkeit
auch in die andere Reihe der konstitutiven Kategorien, die der
Ivausalität. Hierüher seien zum Schluß noch einige Hinweise
gestattet.
Schon das sogenannte Kausalitätsbedürfnis, womit wir zu
jedem Neuen, das wir erleben, eine Ursache suchen, heruht
psychogenetisch auf der Grundvoraussetzung von der Identität
der Welt mit sich selhst. Das daugdZüiv erwächst daraus, daß
etwas anders geworden ist 49), und die Frage, woher das Neue
komme, setzt voraus, daß es, wenn auch in andrer Erscheinüngs-
form, vorher schon dagewesen sein muß. Auf irgendeine, wenn
aucli meistens sehr unklare Weise wird also zwischen Ursache
und Wirkung trotz ihrer Verschiedenheit, t.rotz des seit den
Okkasionalisten und Hume anerkannten Mangels eines analy-
tischen Zusammenhangs ihrer Inhalte, eine reale Identität ge-
setzt, und darin besteht der synthetische Charakter der Kate-
gorie. Aus diesen Verhältnissen versteht es sich am einfachsten,
daß die Kausalität des Ungleichartigen dem Nachdenken größere
Schwierigkeit des Begreifens zu machen pflegt, als die des
Gleichartigen. Andererseits aber fühlt sich das Identitätsbe-
dürfnis im kausalen Denken am besten beruhigt, wenn es Ur-
sache und Wirkung nicht nur in das Verhältnis qualitativer,
sondern auch in das quantitativer Gleichheit setzen kann. Da-
her die Prävalenz des Prinzips „eausa aequat effectum“ in der
naturwissenschaftlichen Theorie. Typisch ist in dieser Hinsicht
die cartesianische Vorstellungsweise des physischen Kausal-
prozesses, wonach es dieselbe, der Materie ein für allemal in
unabänderlichem Quantum gegebene Bewegung ist, die bei der
Berührung von Druck und Stoß partiell von Körper auf Körper
übergeht. Dies Prinzip der Erhaltung der Bewegung ist ebenso
wie das von der Erhaltung der Substanz (in Kants „Analogien
48) Vgl. meine Abhandlung ,,Vom Systern cler Kategorien“ in der oben
genannten Festschrift, p. 56.
49) Vgl. W. Heuer, Kausalität und Notwendiglceit (Heidelberg 1907),
p. 25ff.
ihm durch keine inhaltliche Erkenntnis des konstant Gleichen
genügt werden kann, anfrechterhalten zu werden pflegt.
Der konstitutive Sinn der Kategorie der Identität entwickelt
sich, wie diese kurzen Bemerkungen schon zeigen, zunächst
in der Richtung der Denkformen der Dinghaftigkeit und der
Substanz 48): aber die Identität erstreckt ihre Bedeutsamkeit
auch in die andere Reihe der konstitutiven Kategorien, die der
Ivausalität. Hierüher seien zum Schluß noch einige Hinweise
gestattet.
Schon das sogenannte Kausalitätsbedürfnis, womit wir zu
jedem Neuen, das wir erleben, eine Ursache suchen, heruht
psychogenetisch auf der Grundvoraussetzung von der Identität
der Welt mit sich selhst. Das daugdZüiv erwächst daraus, daß
etwas anders geworden ist 49), und die Frage, woher das Neue
komme, setzt voraus, daß es, wenn auch in andrer Erscheinüngs-
form, vorher schon dagewesen sein muß. Auf irgendeine, wenn
aucli meistens sehr unklare Weise wird also zwischen Ursache
und Wirkung trotz ihrer Verschiedenheit, t.rotz des seit den
Okkasionalisten und Hume anerkannten Mangels eines analy-
tischen Zusammenhangs ihrer Inhalte, eine reale Identität ge-
setzt, und darin besteht der synthetische Charakter der Kate-
gorie. Aus diesen Verhältnissen versteht es sich am einfachsten,
daß die Kausalität des Ungleichartigen dem Nachdenken größere
Schwierigkeit des Begreifens zu machen pflegt, als die des
Gleichartigen. Andererseits aber fühlt sich das Identitätsbe-
dürfnis im kausalen Denken am besten beruhigt, wenn es Ur-
sache und Wirkung nicht nur in das Verhältnis qualitativer,
sondern auch in das quantitativer Gleichheit setzen kann. Da-
her die Prävalenz des Prinzips „eausa aequat effectum“ in der
naturwissenschaftlichen Theorie. Typisch ist in dieser Hinsicht
die cartesianische Vorstellungsweise des physischen Kausal-
prozesses, wonach es dieselbe, der Materie ein für allemal in
unabänderlichem Quantum gegebene Bewegung ist, die bei der
Berührung von Druck und Stoß partiell von Körper auf Körper
übergeht. Dies Prinzip der Erhaltung der Bewegung ist ebenso
wie das von der Erhaltung der Substanz (in Kants „Analogien
48) Vgl. meine Abhandlung ,,Vom Systern cler Kategorien“ in der oben
genannten Festschrift, p. 56.
49) Vgl. W. Heuer, Kausalität und Notwendiglceit (Heidelberg 1907),
p. 25ff.