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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Frank, Erich [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0030
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Erich Frank :

sammengesetzt. — Das Zinngießen und die Meine Tyrolerin sind am gleich-
förmigsten nach Lafontaine’schen Mustern hingeworfen, und in der That kann
bey solchen Nachahmern der gute Lafontaine noch zum Ruf eines Künstlers
kommen, der sich zu enthalten, cler seine Züge zu wählen weiß. — In Alles
aus Liebe ist der Yf. ganz er se’lbst; er läßt seine Helclin eine tournee
mit einem halben Dutzend Ehemännern machen, und sich mit allen übel be-
finden, außer am Ende mit demjenigen, den sie liebt. Ihr erster Gemahl lieißt
Novalis. „Aber noch waren clie Flitterwochen nicht verflossen, als die junge
Frau eines Morgens in Thränen schwimmend zu ihrem Vater ins Zimmer
stürzte, und ihn um der Asche ihrer Mutter willen anflehete, sie zurück zu
nehmen. Sie klagte über den grenzenlosen Egoismui ihres Mannes, über clie
Geringschätzung, womit er sie behandle, über seine Ausschweifungen in
Wollust und Opium, und endlich über seine unerträgliche ästhetische Narr-
heit.“ So entschlüpft dem Yf. statt Satyre gar oft Nieclerträchtigkeit; in clem
Betracht, claß Novalis ein ebenso bestimmter Name wie Jean Paul z. B. ist,
läßt sich jene Schilderung nicht wolil anders nennen.
Unter den Zugaben zeichnen wir aus die Fragmente aus dem Tagebuch
des letzten Königs von Polen ; vom letzten Jahr seines Lebens, nachdem er
den Thron hinter sich gelassen hatte. Es sind Bülletins, die er selbst auf der
Reise und in Petersburg dictirte und an seine Freunde nacli Warschau
sandte. Wie IJr. v. K. bemerkt, sind sie zwar nicht eben brauchbar für den
Geschichtschreiber, aber haben doch ein hohes Interesse für den Staatsmann
und den Menschenkenner. Die Wahrheit ist, daß sie in dieser Sammlung eine
wahre Erholung sind, und das meiste Interesse haben, aller Kleinlichkeit des
Königs und der ganzen Situation ungeachtet, und obgleich fast nicht Ein
markirter Zug darin vorkommt. Als solchen müßte man gelten lassen, daß
Graf Kobenzl (der österreichische Botschafter) sich bey einern Fest zur Be-
lustigung der Gesellscliaft in eine Ilenne verkleidete und alle Kinder, die da
waren, in Küchlein, und dann sein Häuflein gegen alle Angriffe auf eine selir
komische Weise vertheidigte. Ein schönes Talent für eineh Staatsmann ! Unter
diejenigen Ziige, welche die große Milde des Königs charakterisiren, gehört,
daß er den Vf. in Friedenthal bey seiner Vorbeyreise zu sprechen verlangte,
ihn mit Höflichkeit überhäufte und den Wunsch äußerte, daß die jüngsten
Kinder seiner Laune nur seine jüngeren seyn möchten, welcher Wunsch nach
der Iland reichlich gewährt worden ist. Hr. v. K. liatte dagegen einen
anderen, den er dem Ivönige späterhin schriftlich vortrug ; er hatte nämlich in
der hamburger Zeitung gelesen, der König liabe Memoires de son tems ge-
schrieben, und bat ihn im Vertrauen auf sein gütiges Benehmen, ihm zu er-
lauben, diese Memoires aus dem Mspt. in seine Muttersprache zu übertragen.
Kein unebenes Ansinnen, das der König jedoch höflich ablehnte. Glücklicher
war der Vf. mit Twan Iwanow Tschudrin, den er auf seiner „letzten Reise
von Tobolsk nach Petersburg“ zu Kasan kennen lernte. (Hat er deren
mehrere gemacht? Wir wünschen ihm umgekehrt, aber ebenso gutmüthig wie
Stanislaus, daß dieß seine letzte bleiben möge.) Jener Mann hatte 1-8 Jahr
lang in China unter der Maske eines Eingeborenen gelebt, eine Chinesin ge-
heirathet, und sclirieb nun in seinem hohen Alter die Geschichte seines merk-
würdigen Lebens und seiner Reiseabenteuer nieder. Hr. v. K. konnte clie
große Anzahl von IJeften, die daraus entstanden war, nicht sehen, ohne ihrer
zu begehren; er bat ihn, gleichwie den König, um Erlaubniß, sie seiner
 
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