Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen.
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daß das Ansehen, dessen ein Recht sich erfreuen mag, bedingt
ist einmal durch das Ansehen des Verbandes, in dem es sich ge-
hildet hat; sodann durch den Grad der eigenen Entwicklung.
Insbesondere bei den staatsartigen Verbänden werden ihre
Rechte geschätzt, ebenso hoch und niedrig, wie die Verbände
selber: charakteristisch hierfitr die Einsetzung und Aufhebung
von Konsulargerichten. Ein mächtiger Staat deckt das Ansehen
seines Rechts zur Genüge durch sein eigenes Ansehen, ohne
liierzu der religiösen Reihilfe zu bedürfen.
Menschenwerk: also unvollkommen, aber nicht erstarrt in
stets derselben Unvollkommenheit, ganz im Gegenteil beweg-
licher noch als die Sprache, weil die Gedankenwelt eines Volkes,
die in der Sprache ihren Ausdruck fmdet, sehr häufig lang-
samer wechselt als die Lebensverhältnisse, welche für die Ge-
staltung des Rechts die ausschlaggehenden sind; man vergleiche
etwa Berlin im Geburtsjahre Friedrich des Großen mit dem
unserer Tage.
Betrachten wir die Unvollkommenheit näher. Das Recht,
das in Wirklichkeit existiert, ist weder nach außen lückenlos
noch in sich durchweg harmonisch. Das Recht als geschlossener,
auf einem großen Grundgedanken erhauter und fest gegliederter
Organismus, in dem vom Ganzen auf die einzelnen Partikelchen,
und umgekehrt von dem Partikelchen auf das Ganze zu schließen
wäre, ist das Produkt exaltierter Spekulation, ein dem natur-
rechtlichen nahe verwandtes Traumgehilde, als greifbar Wirk-
liches aher auf Erden nie und nirgends anzutreffen gewesen.
Und mit diesem theoretischen geht das praktische Ungenügen
Iiand in Hand: nie hat ein vor größere Aufgabe gestelltes Recht
seine Zugehörigen voll befriedigt. Die Erfahrung zeigt, daß
jedes gesunde wirtschaftlich und geistig vorwärts strebende
Volk nach besserem R.echte drängt. Die Ursachen sind unschwer
zu entdecken.
Geklagt wird insbesondere bald üher das Fehlen, bald üher
das Fehlgehen des Rechts: Tatsachen, deren Folgen der recht-
lichen Regelung hedürfen, haben diese Folgenregelung noch
nicht gefunden; und wieder sind bei anderen Tatsachen die
Folgen entweder dem Rechtsgefühl der Gegenwart nicht ent-
sprechend geregelt (beispielsweise zu harte oder zu weiche
Strafen), oder wo der Mangel in dem wenig präzisen, dem
Richterspruch nicht fest hindenden Ausdruck der Norm liegt.
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daß das Ansehen, dessen ein Recht sich erfreuen mag, bedingt
ist einmal durch das Ansehen des Verbandes, in dem es sich ge-
hildet hat; sodann durch den Grad der eigenen Entwicklung.
Insbesondere bei den staatsartigen Verbänden werden ihre
Rechte geschätzt, ebenso hoch und niedrig, wie die Verbände
selber: charakteristisch hierfitr die Einsetzung und Aufhebung
von Konsulargerichten. Ein mächtiger Staat deckt das Ansehen
seines Rechts zur Genüge durch sein eigenes Ansehen, ohne
liierzu der religiösen Reihilfe zu bedürfen.
Menschenwerk: also unvollkommen, aber nicht erstarrt in
stets derselben Unvollkommenheit, ganz im Gegenteil beweg-
licher noch als die Sprache, weil die Gedankenwelt eines Volkes,
die in der Sprache ihren Ausdruck fmdet, sehr häufig lang-
samer wechselt als die Lebensverhältnisse, welche für die Ge-
staltung des Rechts die ausschlaggehenden sind; man vergleiche
etwa Berlin im Geburtsjahre Friedrich des Großen mit dem
unserer Tage.
Betrachten wir die Unvollkommenheit näher. Das Recht,
das in Wirklichkeit existiert, ist weder nach außen lückenlos
noch in sich durchweg harmonisch. Das Recht als geschlossener,
auf einem großen Grundgedanken erhauter und fest gegliederter
Organismus, in dem vom Ganzen auf die einzelnen Partikelchen,
und umgekehrt von dem Partikelchen auf das Ganze zu schließen
wäre, ist das Produkt exaltierter Spekulation, ein dem natur-
rechtlichen nahe verwandtes Traumgehilde, als greifbar Wirk-
liches aher auf Erden nie und nirgends anzutreffen gewesen.
Und mit diesem theoretischen geht das praktische Ungenügen
Iiand in Hand: nie hat ein vor größere Aufgabe gestelltes Recht
seine Zugehörigen voll befriedigt. Die Erfahrung zeigt, daß
jedes gesunde wirtschaftlich und geistig vorwärts strebende
Volk nach besserem R.echte drängt. Die Ursachen sind unschwer
zu entdecken.
Geklagt wird insbesondere bald üher das Fehlen, bald üher
das Fehlgehen des Rechts: Tatsachen, deren Folgen der recht-
lichen Regelung hedürfen, haben diese Folgenregelung noch
nicht gefunden; und wieder sind bei anderen Tatsachen die
Folgen entweder dem Rechtsgefühl der Gegenwart nicht ent-
sprechend geregelt (beispielsweise zu harte oder zu weiche
Strafen), oder wo der Mangel in dem wenig präzisen, dem
Richterspruch nicht fest hindenden Ausdruck der Norm liegt.
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