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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0005
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Das Yölkerrecht der Zukunft.

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hatte, zum Aiinisterpräsidenten erhohen, hiäst die Kriegstrompete
lauter als Ahe. Anders wieder das seit Jahrhunderten wegen seiner
parlamentarischen Verfassung gepriesene und heneidete England.
Man kann nicht sagen, daß der Krieg gegen den Willen des Volkes
hegonnen sei; aher das Volk, die Masse der auf den täglichen
Erwerb Angewiesenen, hat auch hier kaum mehr zu sagen als in
Rußland. England ist eine breite aber festgefügte Oligarchie,
und da es seit den Zeiten Cromwells die äußere Politik mit an-
dauerndem Glück hetrieben — auch die Ahzweigung von Nord-
amerika war genau besehen kein realer Verlust —, so haben sich
in den Massen höchst eigenartige, aber für das oligarchische Regi-
ment hequeme Anschauungen über ihr Verhältnis zum Staate
und zu dessen offiziellen Organen entwickelt: ,,das Wohl meines
Landes ist mein Wohl, und wer mein Land zum Wohle leitet, an
dessen Tun habe ich nicht zu mäkeln". Das kann zum "merry
old England" vergangener Tage gut gepaßt haben. Aber nachdem
ihm unter Beihilfe fast des ganzen nichtfranzösisclren Europas
die Zertrümmerung seines weitaus größten Gegners gelungen, hat es
sich auf die Jagd nach unerreichbaren Zielen begeben, und dabei
trotz allen scheinbaren Erfolgen die sicheren Grundlagen seiner
Macht selber zerstört. Es kann kein Staat eine Oberherrschaft
über alle Meere und damit schließlich auch über alle Länder auf
die Dauer behaupten; bei dem Streben danach hat England seine
eigene Bodenkultur verkommen lassen, und mit dem vergeblichen
Mühen das gesunde Auswachsen erst Preußens, clann Deutsch-
lands zu hintertreiben, aus seinen Stammesgenossen und natür-
lichen Freunden Feinde geschaffen. Dagegen hat es das mongo-
lische Japan zu einer Großmacht heraufgezogen, die dem englischen
Einflusse auf die Gebiete des Stillen Ozeans sein Ende bereiten
muß. Kaum zu vermuten, daß die neue, mit Rußland vor Lösung
der konstantinopolitanischen und vieler asiatischer Fragen ge-
schlossene Freundschaft, genügenden Ersatz bringen werde. Wohl
aber ist England hierbei in sich zu der hochmoralischen Über-
zeugung gelangf, daß der Wert aller Politik nach dem Nutzen zu
schätzen sei, der dem eigenen Geldbeutel aus ihr erfließe. Das
sind die Ergebnisse des bewun.derten Parlamentarismus, die weder
durch das Großsprechertum, noch durch gleißnerische Heuchelei
wettgemacht werden können.
Und stellen wir dem nun das von Friedrich Wilhelm I. und
Friedrich II. hart autokratisch regierte Preußen und das Deutsche
 
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