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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0014
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E. I. Bekker.

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denken; die Laienbegriffe gehen hierüber hinaus. Wir Deutsche
sind in der besonders üblen Lage, daß wir neben dem echten
,,Rechte" auch mit dem, was ,,recht" ist zu tun haben. Was dies
,,recht" ist ? Der keckste Ausläufer individueller Moral, wenig
geneigt, in feste Grenzen sich bannen zu lassen. Am Platze ebenso
dort, wo Pfiichten zu erfüllen sind, wie dort, wo solche unerfind-
lich; gelegentlich in sefbstbewußter Opposition gegen einzelne
Vorschriften des Rechts oder der Religion. In seiner individuellen
Ausgestaltung unbekümmert, wo ihm die allgemeine Anerkennung
versagt wird: A bleibt dabei, sein eigenes Tun für ,,recht" zu halten,
obschon er weiß, daß B. dies selbe Tun nicht für ,,recht" und C. gar
für ,,unrecht" halten möchte. Findet der Gedanke aber die all-
gemeine Zustimmung, so kann er unter Umständen zu einem der
die Fortbildung des ,,Rechts" bedingenden Momente erwachsen.
Einstweilen aber sind ,,Recht" und ,,recht" fest auseinanderzu-
halten, und so kann nur bedauert werden, daß die dem was recht
ist inhärierende Schrankenlosigkeit und Unklarheit in die Aus-
bildung eines scharfen ,,Rechts"begriffes nur zu oft störend ein-,
gegriffen hat.
Unter den Juristen zieht der Naturrechtglaube die Scheide-
Iinie. Der Gläubige kann beliebige Sätze, wie sie ihm selber oder
einem seiner Lehrer eingefallen, für Recht ansehen, ohne um die
Nachweisbarkeit eines entsprechenden Gebotes oder Schutzes
sich zu kümmern: ,,das ist Gottes Wille", denn ,,Er hat es gesagt",
oder auch ,,Ich sage es Euch". Dawider isf kein Streiten, darauf
aber auch kein wissenschaftlicher Aufbau möglich.
Sobald aber wir das Recht als Menschenwerk erkannt haben,
müssen wir die Kennzeichen angeben, deren Dasein oder Nicht-
dasein wissenschaftlich zu erweisen wäre. Selbstverständlich wäre
auch die Relativität. eines solchen Kennzeichens kein Aus-
schließungsgrund, wenn beispielsweise das Kennzeichen in einem
gewissen Schutze bestünde, so könnte dieser bald stärker und bald
schwächer sein. Und in der Tat fordern wir zu jedem ,,Recht"
einigen Schutz; ein völligungeschütztes Recht, wie das des ,,Königs
der Sahara", wäre schon kein Recht mehr. Der Schutz aber
erstreckt sich allemal nur auf einen Kreis von Persönlichkeiten,
ein Merkmal, durch welches die Geltung des Rechts von der der
Sprache und von der religiöser oder moralischer Uberzeugungen,
sich wesentlich unterscheidef. Sodann darf der Schutz kein von
außen hereingetragener sein, er muß ausgehen aus dem Kreise
 
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