Metadaten

Braune, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 11. Abhandlung): Reim und Vers: eine wortgeschichtliche Untersuchung — Heidelberg, 1916

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34082#0038
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
38

WlLHELM BRAUNE:

logische Tatsache gelten, daß mhd. 7Ü77? erst auftritt, nachdem dio
mhd. Dichtung unter den maßgebenden Einfluß der altfranzösi-
schen und provenzalischen Dichtung geraten war. Kuiturüber-
tragung bringt immer Wortübertragung mit sich und so muß
denn mhd. rfw einfach aus dem Altfranzösischen entiehnt sein,
oder vielleicht aus dem Provenzalischen, weil da noch das Masc.
rinz Geltung iiat, neben dem zum afz. Fem. 7Ün?e stimmenden 7'7777n.
Daß für mhd. 7'77%, ebenso wie für die analogen Wörter der übrigen
germ. Sprachen Entlehnung aus dem Französischen anzunehmen
sei, ist schon verschiedentiich ausgesprochen worden. So von
IvLUGE im Etym Wb., CRAiciE bei MuRRAY 8, 1, 685, FALK-
ToRP, norweg.-dän. Etym. Wb. S. 900, wobei freilich von den
beiden letzteren für das Germ. die nachträglicbe Identifikation
des aus dem Französischen entlehnten Wortes mit dem germ. 7'i777
angenommen wird, was zum mindesten für das mhd. nach den
obigen Ausführungen völiig ausgeschlossen erscheinen muß^).
Für die Herleitung des afrz. 7'77?76, prov. biiebe dann
immer noch theoretisch die Atöglichkeit, daß das auf deutschem
Boden schon im 9. Jahrhundert ausgestoi'bene 7-777? sich im West-
fi'änkischen iänger gehalten und doi't die Untei'lage für das afz.
7'i77?e gebildet hätte. Gewiß hat das Französische germanische
Lehnwörtei', besonders aus dem Kriegsleben und der äußeren
Kultur, bewahi't, die schon im ahd. nicht oder spärlich belegt
sind. Aber daß es einen so abstrakten Begriff wie 'ZahF aus dem
altwestfränkischen Sprachschatz bewahrt und begi'ifflich so eigen-
artig weitergebildet haben sollte, das ist docli kaum wahrschein-
lich. Noch mehi' gilt dies von der Hypothese, daß das keltische
7Ü777 (Zahl) dem französischen Woi'te zugrunde liege^).
Sachlich haltbar ist allein die Annahme, claß das afz. und
prov. Woi't aus lat. rAy/A^T???^ > 7'H77?e > r?'7??e hervoi'gegangen ist.
'*Vers' gesag't werden müssen! Aber auch in der Bedeutung 'Yers' ist ahd.
undenkbar. Ftir O. ist (nach oben S. 19) anxunehmen, daß er in
deutscher Rede gebraucht hat.
B Insbesondere das me. / önc (die ne. Schreibung ///;///?.e unter Anlehnung
an /'////?/////;/$) ist natürlich einfache Entlehnung des afz. / ////e, dessenBedeutungs-
entwicklung' es teilt. — Im altn. ist / //// n. und /'//zzn f. (strophisches Gedicht)
sehr junge Entlehnung, vgl. Mogk, Pauls Grundrd 2, 723. Das echt
nordische Wort für den Begriff 'Reim' ist //e//e////g.
B Ygh dazu L. Diefenbach, Y. Jaiirbüciier f. Philoi. und Paed. 77 (1858p
752f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften