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ALFRED DOVE:
Bildungen mit einander im Kontakt zu zeigen, sei es erlaubt, ein
einziges Beispiel anzuführen, den allerdings schwülstigen Satz,
in welchem Claudianus Mamertus den Grund enthüHt, aus dem
Plato einer Art christiicher Aufklärung gewürdigt worden. Es sei
geschehen, so sagt er etwa, damit das zum Heile des Menschen-
geschlechtes seinerzeit in der ganzen Welt von Gott offenbarte
Dogma dem mit der wahren Lehre noch unvertrauten Geiste der
Heiden gegenüber sich auf das Zeugnis heidnischer Männer stütze
und so desto eher ihr von Unwissenheit finster umwölktes, in der
Käite des Ungiaubens eisartig erstarrtes Heidentum der Wärme
der evangeiischen Wahrheit weiche: ut in salutem generis humani
toto quandoque mundo divinitus editum dogrna apud rudes veri
gentium mentes gentiiium testimoniis uteretur, quo magis igno-
rantiae nubilo caecata et infideiitatis frigore in quandam glaciem
durata gentilitas evangelicae veritatis calori cederet^.
So einfach die Sache nach alledem aussieht, so bietet sie doch
hei näherer Betrachtung in ideeller Hinsicht gewisse Schwierigkeiten
dar. Man überzeugt sich nämlich leicht, daß die Namen εΕνη und
gentes, wo sie in der Kirchensprache begegnen, nicht unter allen
Limständen genau denselben Gedankeninhalt besitzen. Gehen wir
von der normalen Erscheinung aus, so bezeichnen jene Namen mit
voller Bestinnntheit die 'Heiden' schlechthin, in hezug auf die
Vergangenheit als Nichtjuden, in bezug auf die Gegenwart als
Nichtchristen, beidemal einzig in ihrer negativen religiösen Eigen-
schaft erfaßt und zwar als eine homogene Masse irrgläubiger Men-
schen überhaupt. Die naheliegende Meinung, afs hätte man darun-
ter dennoch stets vielmehr die 'Heidenvölker' verstanden, aller-
dings in ihrem generehen Wesen, jedoch immer so, daß dabei zu-
gleich die Gliederung ihrer Gesamtheit, die Zusammensetzung der
Heidenwelt aus Nationen ins Bewußtsein getreten wäre — diese
Meinung ist zunächst entschieden zurückzuweisen. In der Tat
gdt eben auch hier die Analogie des Gebrauches von gentes für
Rangaris gentile, Gesta r. Franc. 49; 50); man zieht vir gentilis (Beda h. eccl.
II, 15) u. dg'l. vor. — Gentilitas = Heidentum: relicto gentilitatis ritu (Beda
1. i. I, 26); Recchila sub cultu, ut ferunt, gentihtatis vitam finivit (Isid. h. d.
r. Goth. 86); = Heidenschaft: adhuc universa gentilitas Dei notitiam non
habebat (Oros. i. apol. 20, 2).
^ De statu animae II, 7. — Bisweilen, wenngleich selten, erscheint
endlich auch gentilicius in der Bedeutung heidnisch: gentiiicia superstitio,
professiones gentilitiae Cod. Theod. XVI, 10, 12; 20.
ALFRED DOVE:
Bildungen mit einander im Kontakt zu zeigen, sei es erlaubt, ein
einziges Beispiel anzuführen, den allerdings schwülstigen Satz,
in welchem Claudianus Mamertus den Grund enthüHt, aus dem
Plato einer Art christiicher Aufklärung gewürdigt worden. Es sei
geschehen, so sagt er etwa, damit das zum Heile des Menschen-
geschlechtes seinerzeit in der ganzen Welt von Gott offenbarte
Dogma dem mit der wahren Lehre noch unvertrauten Geiste der
Heiden gegenüber sich auf das Zeugnis heidnischer Männer stütze
und so desto eher ihr von Unwissenheit finster umwölktes, in der
Käite des Ungiaubens eisartig erstarrtes Heidentum der Wärme
der evangeiischen Wahrheit weiche: ut in salutem generis humani
toto quandoque mundo divinitus editum dogrna apud rudes veri
gentium mentes gentiiium testimoniis uteretur, quo magis igno-
rantiae nubilo caecata et infideiitatis frigore in quandam glaciem
durata gentilitas evangelicae veritatis calori cederet^.
So einfach die Sache nach alledem aussieht, so bietet sie doch
hei näherer Betrachtung in ideeller Hinsicht gewisse Schwierigkeiten
dar. Man überzeugt sich nämlich leicht, daß die Namen εΕνη und
gentes, wo sie in der Kirchensprache begegnen, nicht unter allen
Limständen genau denselben Gedankeninhalt besitzen. Gehen wir
von der normalen Erscheinung aus, so bezeichnen jene Namen mit
voller Bestinnntheit die 'Heiden' schlechthin, in hezug auf die
Vergangenheit als Nichtjuden, in bezug auf die Gegenwart als
Nichtchristen, beidemal einzig in ihrer negativen religiösen Eigen-
schaft erfaßt und zwar als eine homogene Masse irrgläubiger Men-
schen überhaupt. Die naheliegende Meinung, afs hätte man darun-
ter dennoch stets vielmehr die 'Heidenvölker' verstanden, aller-
dings in ihrem generehen Wesen, jedoch immer so, daß dabei zu-
gleich die Gliederung ihrer Gesamtheit, die Zusammensetzung der
Heidenwelt aus Nationen ins Bewußtsein getreten wäre — diese
Meinung ist zunächst entschieden zurückzuweisen. In der Tat
gdt eben auch hier die Analogie des Gebrauches von gentes für
Rangaris gentile, Gesta r. Franc. 49; 50); man zieht vir gentilis (Beda h. eccl.
II, 15) u. dg'l. vor. — Gentilitas = Heidentum: relicto gentilitatis ritu (Beda
1. i. I, 26); Recchila sub cultu, ut ferunt, gentihtatis vitam finivit (Isid. h. d.
r. Goth. 86); = Heidenschaft: adhuc universa gentilitas Dei notitiam non
habebat (Oros. i. apol. 20, 2).
^ De statu animae II, 7. — Bisweilen, wenngleich selten, erscheint
endlich auch gentilicius in der Bedeutung heidnisch: gentiiicia superstitio,
professiones gentilitiae Cod. Theod. XVI, 10, 12; 20.