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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0086
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ALFRED DOVE:

4. Jahrhundert aufkommende Ländername Romania 'Römerland',
in zeitgemäß ethnographischer Gestalt, zu äußerer Opposition
gegen den Bereich der gentes und doch in entschiedener Annähe-
rung an deren Denkweise, populär entwickelth Eben die durch
solche Lhnkehr des Sprachgebrauches angedeutete Rückbildung
des spätantiken Wesens in gentile Zustände war es ja, was die
Romanen in Italien, Spanien und Gallien dazu befähigte, in Ver-
bindung mit den herrschenden Minoritäten der Langobarden,
Westgoten und Franken als unterworfene Mehrheiten an der
nationalen Wiedergeburt der abendländischen Welt auch ihrer-
seits aktiv teilzunehmen.
Indem nun solchergestalt die Idee des έΕνος oder der gens
auch innerhalb des ihr vormals so feindlich verschlossenen orbis
Romanus unstreitig die Oberhand behielt, blieb sie allerdings
selber keineswegs unverwandelt. Jene Westgoten, Langobarden,
Franken, Angelsachsen waren nicht bloß aus reinen Naturvölkern
in gewissem Maße Kulturvölker geworden: ihr Gewinn an Bildung
war überdies bestenteils von außen erworben; eine Menge von
Gedanken, Sitten, Einrichtungen hatten sie dem überwundenen
Altertum sozusagen als Beute abgenommen. Allein das Merkwür-
dige ist eben, daß sie darüber dennoch den Begriff nationaler Selb-
ständigkeit durchaus nicht verloren. Die einzige tödliche Gefahr
für den letzteren lag, wie man sieht, in dem kosmopolitischen
System; weil jene Völker ihren Staat fast ganz auf gentiler Grund-
lage errichteten, durften sie allen Zuwachs an sonstigen Ideen und
Institutionen eher als Bereicherung, denn als Schädigung ihres
nationalen Wesens ansehen. Was wäre bei lhnen ehedem volks-

i Den vorschwebenden Gegensatz bildet barbaricum: Ulfila de varbarico
pulsus in solo Romanie est susceptus (Auxentius beiWviTz, Ulfila S. 20; grie-
chisch ή 'Ρωμκίων Sozomen. h. e. VI, 37 ebd. S. 61). Orosius stellt Romania
einer hypothetischen Gothia gegenüber und bezeichnet diese Ausdrucksweise
noch als vulgär: essetque, ut vulgariter loquar, Gothia, quod Romania fuisset
(VII, 43, 5; cf. III, 20, 11); bei Jordanis ist sie bereits recht gewöhnlich, Rom.
247 ; 275; 313; Get. 131; 266; vgl. descript. consul. Idatio adscr. ap. Ronc.
II, 96. Lange haftet der Name vorzugsweise an der unteren Donau, weil
dort die Differenz zwischen Reichsland und Barbarei am schärfsten und wich-
tigsten; später heißen so die rein romanischen Reste, wie die italienische
Romagna. In ideellerer Fassung Venant. Fortunat. VI, 4, 7, sq. hinc cui
barbaries, iilinc Romania plaudit, diversis linguis laus sonat una viri. —
Cf. DucANGE s. v. Romania; barbaricum.
 
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