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J. Ruska:
wisser religiöser oder halbreligiöser Zeremonien gehörten, oder deren
man sich für Zwecke des Handels bedienen mußte. Das Gebiet
der Mathematik ist nie als wesentlich für eine höhere Erziehung
betrachtet worden und bildet heute höchst selten einen Teil des
Lehrgangs der Sanskritschulen in Indien. . .
S. 298: ,,Die Hindu sind niemals zuverlässige Beurteiler ihrer
eigenen Methoden gewesen, und wir dürfen die Meinungen von zeit-
genössischen Fremden nicht vernachlässigen, wenn sie zugänglich
sind. Glücklicherweise können wir die Ansichten Alberunis an-
führen, eines tüchtigen Mathematikers und besonnenen Kritikers,
der Indien in der Zeit zwischen Brahmagupta und Bhaskara be-
suchte. Die Ansichten Alberunis sind den Hindu nicht besonders
günstig, was ihre mathematischen Fähigkeiten anlangt, aber das
nimmt seiner Kritik nichts an Wert, wie manche Hindu meinen.
Er schreibt wie folgt (Alberuni’s India ed. E. G. Sachau I, p. 25):
,Man findet meist, daß selbst die sogenannten wissenschaftlichen
Sätze der Inder sich in einem Zustand äußerster Verwirrung befinden,
bar jeder logischen Ordnung . . . , da sie sich nicht zu den Methoden
streng wissenschaftlicher Deduktion erheben können1. Und weiter:
,Ich begann ihnen die Elemente darzulegen, auf welchen diese
Wissenschaft ruht, und ihnen einige Regeln der logischen Deduktion
und die wissenschaftliche Methode aller Mathematik auseinander-
zusetzen; da scharten sie sich um mich zusammen von allen Seiten*. Die
Belege, die wir gegeben haben, sind geeignet, die Ansicht Alberunis
zu bestätigen; wir müssen schließen, daß die indischen Mathematiker
kein Interesse an dem hatten, was wir mathematische Methode
nennen. Sie gaben keine Definitionen, sie bewahrten wenig logische
Ordnung, sie kümmerten sich nicht darum, ob die Regeln, deren
sie sich bedienten, gehörig bewiesen waren oder nicht, und waren
im allgemeinen gleichgültig gegen grundlegende Prinzipien. Sie
schätzten Mathematik nie als einen Gegenstand des Studiums,
und in der Tat kann ihr Verhältnis zur Wiss-enschaft als ent-
schieden unmathematisch gekennzeichnet werden.“
Die Darstellung, die M. Cantor in den drei Auflagen seiner
Vorlesungen von der ältesten Geschichte der arabischen Mathematik
und insbesondere von den Beziehungen zwischen der arabischen
und griechischen bzw. indischen Mathematik gegeben hat, stützt sich
im wesentlichen auf die von Golebrooke und Rosen beigesteuerten
Übersetzungen und auf die Vorarbeit Hankels; Rodets Unter-
J. Ruska:
wisser religiöser oder halbreligiöser Zeremonien gehörten, oder deren
man sich für Zwecke des Handels bedienen mußte. Das Gebiet
der Mathematik ist nie als wesentlich für eine höhere Erziehung
betrachtet worden und bildet heute höchst selten einen Teil des
Lehrgangs der Sanskritschulen in Indien. . .
S. 298: ,,Die Hindu sind niemals zuverlässige Beurteiler ihrer
eigenen Methoden gewesen, und wir dürfen die Meinungen von zeit-
genössischen Fremden nicht vernachlässigen, wenn sie zugänglich
sind. Glücklicherweise können wir die Ansichten Alberunis an-
führen, eines tüchtigen Mathematikers und besonnenen Kritikers,
der Indien in der Zeit zwischen Brahmagupta und Bhaskara be-
suchte. Die Ansichten Alberunis sind den Hindu nicht besonders
günstig, was ihre mathematischen Fähigkeiten anlangt, aber das
nimmt seiner Kritik nichts an Wert, wie manche Hindu meinen.
Er schreibt wie folgt (Alberuni’s India ed. E. G. Sachau I, p. 25):
,Man findet meist, daß selbst die sogenannten wissenschaftlichen
Sätze der Inder sich in einem Zustand äußerster Verwirrung befinden,
bar jeder logischen Ordnung . . . , da sie sich nicht zu den Methoden
streng wissenschaftlicher Deduktion erheben können1. Und weiter:
,Ich begann ihnen die Elemente darzulegen, auf welchen diese
Wissenschaft ruht, und ihnen einige Regeln der logischen Deduktion
und die wissenschaftliche Methode aller Mathematik auseinander-
zusetzen; da scharten sie sich um mich zusammen von allen Seiten*. Die
Belege, die wir gegeben haben, sind geeignet, die Ansicht Alberunis
zu bestätigen; wir müssen schließen, daß die indischen Mathematiker
kein Interesse an dem hatten, was wir mathematische Methode
nennen. Sie gaben keine Definitionen, sie bewahrten wenig logische
Ordnung, sie kümmerten sich nicht darum, ob die Regeln, deren
sie sich bedienten, gehörig bewiesen waren oder nicht, und waren
im allgemeinen gleichgültig gegen grundlegende Prinzipien. Sie
schätzten Mathematik nie als einen Gegenstand des Studiums,
und in der Tat kann ihr Verhältnis zur Wiss-enschaft als ent-
schieden unmathematisch gekennzeichnet werden.“
Die Darstellung, die M. Cantor in den drei Auflagen seiner
Vorlesungen von der ältesten Geschichte der arabischen Mathematik
und insbesondere von den Beziehungen zwischen der arabischen
und griechischen bzw. indischen Mathematik gegeben hat, stützt sich
im wesentlichen auf die von Golebrooke und Rosen beigesteuerten
Übersetzungen und auf die Vorarbeit Hankels; Rodets Unter-