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Martin Dibelius:
serpinas Reich betreten und die dii inferi von Angesicht zu An-
gesicht schauen darf1.
Eine Begründung dieses Ritus im Mythus suchen wir bei
Apuleius vergebens; nirgends ist davon die Rede, daß der Myste
etwa dasselbe Schicksal erleide wie Osiris2; man müßte denn in
der endlichen Ausstellung des Eingeweihten ad instar Solis exor-
natus (XI 24) einen derartigen Hinweis sehen. Aber diese Möglich-
keit läßt sich nicht beweisen; eher könnte man vermuten, daß die
Osirisweihe, der sich Lucius in Rom unterzieht (XI 27), Beziehun-
gen zum Mythus gehabt habe; daß ihr Ritual ein anderes ist als
das der Isis, wird ausdrücklich gesagt: quanquam enim conexa,
immo uero unita ratio numinis religionisque esset, tarnen teletae
discrimen interesse maximum3. Wenn man überhaupt nach einer
Erklärung der Isisweihe suchen darf, so wird man durch die Reihen-
folge der Akte — Gang ins Totenreich, Fahrt durch die Elemente,
Schau der Sonne und der dii superi — weniger an die mythischen
Erlebnisse der Gottheit als an ihren kosmischen Herrschaftsbereich
erinnert. Daß ,,Sonne“, „Welt“ und „Tartarus“ ihr gehören,
daß numina und elementa, superi und inferi ihr anhängen, wird
in dem Gebet XI 25 deutlich ausgesprochen. Der Myste aber
darf, was ein anderer, nicht von der Göttin berufener, mit seinem
Leben bezahlen müßte; er darf die Grenzen ihres Reiches abschrei-
1 In diesem Zusammenhang kommen auch bei der Isis-Weihe die anti-
ken Zeugnisse über die Leiden des Mysten zu ihrem Recht, vor allem das
berühmte Fragment, das bei Stobaeus Anth. V p. 1087 Hense unter dem
Namen des Themistios steht und mit Recht oder Unrecht (vgl. Maass, Or-
pheus 303ff.) auf Plutarch zurückgeführt wird; es vergleicht das Sterben
(τελευτάν) mit der Mysterienweihe in den oft zitierten Worten: πλάναι τά
πρώτα και περιδρομαί κοπώδεις καί διά σκότους τινές ύποπτοι πορεΐαι καί άτέλεστοι,
είτα προ του τέλους αύτοΰ τά δεινά πάντα, φρίκη καί τρόμος καί ίδρώς καί -8-άμβος.
Direkte Beziehung dieser Stelle auf die Isis-Mysterien ist unwahrscheinlich.
Weitere Belege gibt Anrich, Das antike Mysterienwesen 33 A. 2, vgl. auch
Dieterich, Mithrasliturgie 163.
2 Über die ägyptische Grundlage der Weihefeier soll damit keine Ver-
mutung geäußert werden, vgl. dazu Reitzenstein, Hellenist. Wunder-
erzählungen 114 ff. Es kommt mir hier nicht auf die Herkunft des Gedankens
an, sondern auf die Einstellung dieses Gedankens im Sinne der hellenistischen
W eltanschauung.
3 So würde sich vielleicht die Frage beantworten lassen, die Reitzen-
stein, Archiv f. Religionswissenschaft VII 408 aufwirft: ,,es ist uns be-
fremdlich, daß eine derartige Weihe sich noch in zwei weiteren Weihen stei-
gern kann.
Martin Dibelius:
serpinas Reich betreten und die dii inferi von Angesicht zu An-
gesicht schauen darf1.
Eine Begründung dieses Ritus im Mythus suchen wir bei
Apuleius vergebens; nirgends ist davon die Rede, daß der Myste
etwa dasselbe Schicksal erleide wie Osiris2; man müßte denn in
der endlichen Ausstellung des Eingeweihten ad instar Solis exor-
natus (XI 24) einen derartigen Hinweis sehen. Aber diese Möglich-
keit läßt sich nicht beweisen; eher könnte man vermuten, daß die
Osirisweihe, der sich Lucius in Rom unterzieht (XI 27), Beziehun-
gen zum Mythus gehabt habe; daß ihr Ritual ein anderes ist als
das der Isis, wird ausdrücklich gesagt: quanquam enim conexa,
immo uero unita ratio numinis religionisque esset, tarnen teletae
discrimen interesse maximum3. Wenn man überhaupt nach einer
Erklärung der Isisweihe suchen darf, so wird man durch die Reihen-
folge der Akte — Gang ins Totenreich, Fahrt durch die Elemente,
Schau der Sonne und der dii superi — weniger an die mythischen
Erlebnisse der Gottheit als an ihren kosmischen Herrschaftsbereich
erinnert. Daß ,,Sonne“, „Welt“ und „Tartarus“ ihr gehören,
daß numina und elementa, superi und inferi ihr anhängen, wird
in dem Gebet XI 25 deutlich ausgesprochen. Der Myste aber
darf, was ein anderer, nicht von der Göttin berufener, mit seinem
Leben bezahlen müßte; er darf die Grenzen ihres Reiches abschrei-
1 In diesem Zusammenhang kommen auch bei der Isis-Weihe die anti-
ken Zeugnisse über die Leiden des Mysten zu ihrem Recht, vor allem das
berühmte Fragment, das bei Stobaeus Anth. V p. 1087 Hense unter dem
Namen des Themistios steht und mit Recht oder Unrecht (vgl. Maass, Or-
pheus 303ff.) auf Plutarch zurückgeführt wird; es vergleicht das Sterben
(τελευτάν) mit der Mysterienweihe in den oft zitierten Worten: πλάναι τά
πρώτα και περιδρομαί κοπώδεις καί διά σκότους τινές ύποπτοι πορεΐαι καί άτέλεστοι,
είτα προ του τέλους αύτοΰ τά δεινά πάντα, φρίκη καί τρόμος καί ίδρώς καί -8-άμβος.
Direkte Beziehung dieser Stelle auf die Isis-Mysterien ist unwahrscheinlich.
Weitere Belege gibt Anrich, Das antike Mysterienwesen 33 A. 2, vgl. auch
Dieterich, Mithrasliturgie 163.
2 Über die ägyptische Grundlage der Weihefeier soll damit keine Ver-
mutung geäußert werden, vgl. dazu Reitzenstein, Hellenist. Wunder-
erzählungen 114 ff. Es kommt mir hier nicht auf die Herkunft des Gedankens
an, sondern auf die Einstellung dieses Gedankens im Sinne der hellenistischen
W eltanschauung.
3 So würde sich vielleicht die Frage beantworten lassen, die Reitzen-
stein, Archiv f. Religionswissenschaft VII 408 aufwirft: ,,es ist uns be-
fremdlich, daß eine derartige Weihe sich noch in zwei weiteren Weihen stei-
gern kann.