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Martin Dibelius:
der „oberen Götter“, die, wie oben gezeigt ist und sich hier bestä-
tigen wird, in dieser Phase der Handlung ihre Stelle hat. Es muß
fraglich bleiben, ob der Gläubige — den Unterschied zwischen
Himmlischem und Irdischem hier wie sonst während der Initiation
außer Kraft setzend — Priester oder Bilder1 für Götter hält; oder ob
er — kraft seines Glaubens an Lichtphänomene bei Theophanien
-— die Göttererscheinungen im Scheine des „weißglänzenden Lich-
tes“ halluziniert2.
Auch dieser letzte Akt der Handlung führt den Mysten in ein
Herrschaftsgebiet der Isis (XI 2 regina caeli; XI 5 prima caeli-
tum und quae caeli luminosa culmina . . . nutibus meis dispenso;
XI 25 te superi colunt, . . . tu . . luminas solem). Aber hier wie
in den von ihm verlassenen Regionen ist nicht Schau der Isis
selbst seine Bestimmung; hier wie dort sieht er die Gottheiten
von Angesicht zu Angesicht, die unter der Oberherrschaft der
Göttin das Weltall in seinen Teilen regieren und des Menschen
Schicksal lenken. Die Lichterscheinung der Sonne ist mit einer
Epiphanie anderer (Gestirn?-) Gottheiten verbunden. Wie man
sich diese Verbindung dachte, zeigt am deutlichsten die Anwei-
sung der sog. Mithrasliturgie S. 10, 27 Dieterich: τούτο είπόντος
στραφήσονται επί σε cd ακτίνες, εσει δέ αύτών μέσον, όταν ούν τούτο
ποιήσης, οψει Τεδν νεώτερον .... έχοντα πύρινον στέφανον. Der das
göttliche Licht Schauende nimmt soviel davon in sich auf, daß er
fähig wird, den Gott selbst zu erblicken. Auch der Apostel
Paulus hat in einem Passus, der die Christusvision von Damaskus
schildert, in ähnlicher Weise angedeutet, wie Lichterscheinung
und Theophanie Zusammenhängen II. Cor. 4, 6: ότι ό θεός ό
είπών · έκ σκότους φως λάμψει, ός ελαμψεν εν ταΐς καρδίαις ημών προς
φωτισμόν τής γνοισεως τής δόξης του Εεου έν προσώπω Χρίστου.
Hätte Gott nicht sein Licht bis in das Innere des Menschen strah-
len lassen, so hätte der Mensch nicht die Christus-Gnosis gewon-
nen. Nur dem „sonnenhaften Auge“ wird die Sonne sichtbar.
Dasselbe gilt nun von unserem Mysterium. Dem vom Licht
der „Sonne“ im Heiligtum Erleuchteten erscheinen die „oberen
Götter“, vor allem aber des Lichtes Spender, der Sonnengott
1 Vgl. Apuleius XI 17 die Erwähnung der simulacra spirantia; es sind
Götterbilder von besonders „lebendigem“ Aussehen gemeint; vgl. die Be-
lege in Hildebrands Ausgabe.
2 So die Meinung de Jongs S. 313ff. 353ff., der aber auch hier wieder
die Frage nach dem kultischen Apparat möglichst zurückdrängt; vgl. S. 332.
Martin Dibelius:
der „oberen Götter“, die, wie oben gezeigt ist und sich hier bestä-
tigen wird, in dieser Phase der Handlung ihre Stelle hat. Es muß
fraglich bleiben, ob der Gläubige — den Unterschied zwischen
Himmlischem und Irdischem hier wie sonst während der Initiation
außer Kraft setzend — Priester oder Bilder1 für Götter hält; oder ob
er — kraft seines Glaubens an Lichtphänomene bei Theophanien
-— die Göttererscheinungen im Scheine des „weißglänzenden Lich-
tes“ halluziniert2.
Auch dieser letzte Akt der Handlung führt den Mysten in ein
Herrschaftsgebiet der Isis (XI 2 regina caeli; XI 5 prima caeli-
tum und quae caeli luminosa culmina . . . nutibus meis dispenso;
XI 25 te superi colunt, . . . tu . . luminas solem). Aber hier wie
in den von ihm verlassenen Regionen ist nicht Schau der Isis
selbst seine Bestimmung; hier wie dort sieht er die Gottheiten
von Angesicht zu Angesicht, die unter der Oberherrschaft der
Göttin das Weltall in seinen Teilen regieren und des Menschen
Schicksal lenken. Die Lichterscheinung der Sonne ist mit einer
Epiphanie anderer (Gestirn?-) Gottheiten verbunden. Wie man
sich diese Verbindung dachte, zeigt am deutlichsten die Anwei-
sung der sog. Mithrasliturgie S. 10, 27 Dieterich: τούτο είπόντος
στραφήσονται επί σε cd ακτίνες, εσει δέ αύτών μέσον, όταν ούν τούτο
ποιήσης, οψει Τεδν νεώτερον .... έχοντα πύρινον στέφανον. Der das
göttliche Licht Schauende nimmt soviel davon in sich auf, daß er
fähig wird, den Gott selbst zu erblicken. Auch der Apostel
Paulus hat in einem Passus, der die Christusvision von Damaskus
schildert, in ähnlicher Weise angedeutet, wie Lichterscheinung
und Theophanie Zusammenhängen II. Cor. 4, 6: ότι ό θεός ό
είπών · έκ σκότους φως λάμψει, ός ελαμψεν εν ταΐς καρδίαις ημών προς
φωτισμόν τής γνοισεως τής δόξης του Εεου έν προσώπω Χρίστου.
Hätte Gott nicht sein Licht bis in das Innere des Menschen strah-
len lassen, so hätte der Mensch nicht die Christus-Gnosis gewon-
nen. Nur dem „sonnenhaften Auge“ wird die Sonne sichtbar.
Dasselbe gilt nun von unserem Mysterium. Dem vom Licht
der „Sonne“ im Heiligtum Erleuchteten erscheinen die „oberen
Götter“, vor allem aber des Lichtes Spender, der Sonnengott
1 Vgl. Apuleius XI 17 die Erwähnung der simulacra spirantia; es sind
Götterbilder von besonders „lebendigem“ Aussehen gemeint; vgl. die Be-
lege in Hildebrands Ausgabe.
2 So die Meinung de Jongs S. 313ff. 353ff., der aber auch hier wieder
die Frage nach dem kultischen Apparat möglichst zurückdrängt; vgl. S. 332.