Metadaten

Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0029
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten.

29

der „Elemente“ und einer mit ihm verbundenen Askese Raum
gewähren will. Kein Abfall von Christus ist es, den er zu rügen
hat -— in solchem Fall würde er kräftiger zupacken — sondern
ein Nebeneinander von Christus und den Elementar-Göttern oder
-Geistern, und was er dabei mit Recht befürchtet, ist Gefährdung
des Christuskults und der christlichen Rotschaft, deren Ausschließ-
lichkeit sich mit jenem Nebeneinander nicht verträgt. Darum
betont Paulus immer wieder, daß Christus das All, d. h. eben diese
kosmischen Kräfte, unter seine Herrschaft gebracht und un-
schädlichgemacht habe—1,20; 2,15; 2,1ο1. Dies alles ist, soweit
ich sehe, weithin anerkannt und bedarf keiner ausführlichen Be-
gründung.
Ein anderes ist’s, was ich im Anschluß an Apuleius unter-
suchen möchte. Es handelt sich in Kolossä nicht um Repristi-
nation des überwundenen Kultus; dann würde Paulus nicht ver-
fehlen, die von ihm angegriffene Lehre als „Heidentum“ zu brand-
marken. Wir gewinnen auch nicht den Eindruck, als sei dieser
Kultus schon in Kolossä ansässig gewesen, als dort ein Schüler
des Paulus mit der christlichen Predigt auftrat2. Die Propaganda
für die στοιχεία-Verehrung hat sich offenbar am Ort erst aufge-
tan, als die Christengemeinde schon bestand. Jene Verehrer der
Elemente hatten augenscheinlich mit dem Christuskult nicht das
mindeste zu tun; die Mischbildung ■— Kult der στοιχεία neben
Christus — kommt nicht auf ihr Konto. Die Mischbildung ent-
stand erst, als Glieder der Christengemeinde in die Kultgenossen-
schaft der στοιχεία eintraten, ohne ihr Christentum abzuschwören.
So erklärt sich eine zumeist übersehene Doppelheit in der Polemik
des Kolosserbriefes. Wenn Paulus zu diesen Christen redet, zu
den Anhängern jener Theokrasie im eigentlichen Sinn des Wortes,
zeigt er ihnen: Christus ist mehr als die Elemente; der Christ hat
von jenen kosmischen Kräften nichts mehr zu fürchten, denn er
ist -— um die Worte des Isispriesters bei Apuleius zu gebrauchen
- in tutelam receptus Fortunae sed uidentis. Wo Paulus aber

1 Für die Einzelfragen der Interpretation verweise ich auf meinen
Kommentar in Lietzmanns „Handbuch zum Neuen Testament“.
2 Bei Erwähnung der Anfänge in 1,7.8 weiß Paulus nur von Erfreu-
lichem zu berichten. Vor allem aber: auch in diesem Fall würde Paulus es
nicht unterlassen haben, das Reaktionäre in dem Kult der Elemente hervor-
zuheben. Wie leicht ihm das geworden wäre, sehen wir aus Gal. 4,1 ff., wo er
Heidentum wie Judentum als Dienst der στοιχεία τοϋ κόσμου darstellt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften