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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0038
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38

Martin Dibelius:

der Weihe gesagt. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, daß die
Schilderung des christlichen Heils 2,llf. Gedanken der Mysterien
benutzt (συνταφέντες, συνηγέρΑητε), so daß man herauslesen kann:
,,ihr habt schon das größte Mysterium empfangen.“ Sicher
aber werden wir die 2,21 erwähnten Gebote der Askese: μή άψη
μηδέ γεύση μηδέ Αίγης auf die continentia vor der Weihe beziehen
(XI 23 bei Apuleius) und ταπεινοφροσύνη in dem schon zitierten
Satz 2,18 (vgl. 2,23 ταπεινοφροσύνη και άφειδία σώματος) damit in Ver-
bindung bringen dürfen. Auch der problematische Ausdruck έΑελο-
Αρησκεία 2,23—sicher ein Stichwort der Gegner — findet seine Er-
klärung wohl im Charakter der Mysterienreligion. Sofern die Myste-
rien die Religion nicht im nationalen oder städtischen Verband
pflegen, sondern in einer durch freiwillige Meldung sich zusammen-
findenden Genossenschaft, sind sie wirklich „Wahlkulte“ (so ist das
griechische Wort auch ohne Belege nach der Analogie verwandter
Bildungen zu erklären). Dieser Charakter wird zumal in den
Mysterien betont, die den einzelnen gesondert einweihen und nicht
Hunderte zugleich; wir kennen das Ethos der persönlichen Reli-
giosität, das eine solche Initiation umgibt, aus Apuleius; wir dür-
fen es auch für die Mysterien zu Kolossä voraussetzen, weil sie
έΑελοΑρησκεία genannt werden; denn als Ruhmestitel im Munde
der Mysten ist der Terminus ebenso wie seine beiden Nachbarn
(ταπεινοφροσύνη und άφειδία σώματος) zu verstehen.
Wie bei Apuleius, so haben wir auch hier ein kosmisches
Mysterium vor uns. Es handelt sich um die kultische Verehrung
der Elemente, und alles, was ich oben — anläßlich der Fahrt des
Lucius per omnia elementa — über Motive und Bedeutung solchen
Kults gesagt habe, gilt hier in erhöhtem Maße, weil von den Ele-
menten allein die Rede ist. Es fehlt ihrem Kreise die monarchische
Spitze; es fehlt die, zu der man sagen könnte: tibi seruiunt elementa1
oder: una quae es omnia2; man verehrt nur omnia, das in den Ele-
menten repräsentierte All. Warum dies so ist, können wir nur
ahnen (s. Kap. V); daß es so ist, hat seine religionsgeschichtliche
Bedeutung; es ist die andere der beiden Kultformen, die —· wie
ich oben zeigte — dem Menschen Befreiung von dem Zwang der
ειμαρμένη garantieren: nicht Verehrung einer übergeordneten
Gottheit, wie der Isis, ist hier das Mittel, sondern Kult der kos-
1 Apuleius Met. XI 25. Welche kosmischen Mächte zu den elementa
gehören, ist bei Paulus so unsicher wie bei Apuleius.
2 CIL X, 1, 3800 von Isis.
 
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