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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0050
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Martin Dibelius:

Rom. 14,9. Nachdem in den berühmten Worten 14, 7 f. die Ver-
bindung des Gläubigen mit Christus in Leben und Tod geschil-
dert ist, wird auch die Menschwerdung Christi im Sinne dieser
Mystik erklärt; Christus mußte Mensch werden, damit die Christen
ihm gleichen könnten: εις τούτο γάρ Χριστός άπέΑανεν καί εζησεν,
ίνα καί νεκρών καί ζώντων κυριεύση. „Ich bin so groß als Gott,
er ist als ich so klein“ — Angelus Silesius bietet das Motto
dazu1. Aber dies ist hei Paulus eine Gelegenheitsbildung, zu
der höchstens noch II. Kor. 8, 9 eine Parallele bietet; Röm. 8, 3
stellt die Menschwerdung unter einem anderen Gesichtspunkt
dar, und auch an unserer Stelle ist die Gottgleichheit des
Christen durch das Wort κυριεύση wesentlich eingeschränkt. In der
Frömmigkeit der Oden Salomos aber, wo Mystik und mythi-
sche Spekulation im Mittelpunkt stehen, rückt auch jener bei
Paulus nur angedeutete Gedanke ins Zentrum. Man lese Ode 7,4 ff.:
,,er hat mich sein Wesen reichlich und unverfälscht erkennen
lassen, denn seine Größe hat er durch seine Freundlichkeit klein
werden lassen für mich, er ist wie ich geworden, weil ich ihn (hin)-
nehmen sollte, an Ähnlichkeit erschien er wie ich, weil ich ihn an-
ziehen sollte.“2 Man bedenke, wieviel Ansatzpunkte diese Ge-
staltung des Gedankens für mythische Darstellungen nicht nur
bieten konnte, sondern in den Oden auch wirklich bietet! So
zeigt sich auch hier wieder, in welchem Maße die Mystik des Paulus
Keime gnostischer Bildungen in sich birgt.
Ich habe zwei Arten der Synkretisierung des Christentums
mit Beispielen zu belegen versucht. Wir haben gesehen, wie schon
zur Zeit des Paulus mystisches Christentum mit gnostischen Myste-
rien sich sozusagen in Personalunion verband. Wir haben weiter
gesehen, wie hellenistische Mystik und Spekulation — von kulti-
1 Zum Gedanken und zum Text wie zum Verständnis der im folgenden
zitierten Ode Salomos vgl. meinen Aufsatz ,,έπίγνωσις άληθείας“ in den
Neutestamentl. Studien für Heinrici S. 176ff.
2 Eine weiter entwickelte Parallele bietet die von Irenaeus II 22,4 vor-
getragene Anschauung, daß Christus alle Altersstufen durchgemacht habe:
omnes enim venit per semetipsum salvare; omnes, inquam, qui per eum
renascuntur in Deum, infantes et parvulos et pueros et iuvenes et seniores.
Ideo per omnem venit aetatem. Umgekehrt ist es nach Corpus ITermeti-
cum 11, 20 der Gotteserkenntnis Vorbedingung, daß der Mensch Gott ähn-
lich alle Elemente, Örter und Zeiten in sich zusammenfasse, und so auch die
Lebensstadien: μηδέπω γεγενήσθαι, έν τρ γαστρ'ι είναι, νέος, γέρων, τε&νηκέναι,
τά μετά τον -θάνατον.
 
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