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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0011
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Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.

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zu dieser allgemeinen Form zeigte, so wäre die unbewußte Bereit-
willigkeit, hier dem fremden Gebrauch zu folgen, durchaus er-
klärlich.
Das Manuskript dürfte also aller Wahrscheinlichkeit nach,
noch von allen inneren Gründen abgesehen, eine von Hegel im
Juni oder Juli 1796 hergestellte Abschrift einer fremden Urschrift
sein. Und wenn sich nun der Leser, nachdem er so von dem natür-
lichen Vorurteil der Hegelschen Autorschaft befreit ist, umsieht,
wer als Verfasser in Betracht käme, so wird er bei näherer Kenntnis
kaum im Zweifel sein. Diesen jugendlich-sieghaften Ton besaß
im philosophischen Deutschland des Jahres 1796 nur Einer, und
an ihn mahnte uns schon der beim ersten flüchtigen Blick erfaßte
Gedankengehalt des Programms. Nur dieser Eine hat das toll-
kühne Wort „ich werde“ so sorglos gebraucht und hat bis an sein
Lebensende, als er, ein Greis, aus einer enttäuschten und ver-
änderten Welt ging, nicht aufgehört es zu gebrauchen; vor lauter
Programm kam er nie zum vollendeten Werk, vor lauter „Ideen“
und „Entwürfen“, „Darstellungen“ und „Nachrichten“, Ver-
heißungen und halben Erfüllungen nie zur ganzen Tat. „Ich werde“
blieb sein letztes Wort, wie es sein erstes war.
IV.
Als Schelling im Frühjahr 96 Stuttgart verließ, lagen außer
den zwei theologischen Erstlingsarbeiten und der kleinen Studie
„über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt“
die Schrift „Vom Ich als Prinzip der Philosophie“, die „Philosophi-
schen Briefe“ und die „Neue Deduktion des Naturrechts“ hinter
ihm. Fichte hatte ihn stark ergriffen; dennoch wäre es, wie auch
neuerdings — seit Wilhelm Metzgers Untersuchung — immer
mehr erkannt wird, verfehlt, schlechtweg von einer Fichteschen
Periode seines Denkens zu sprechen. Ganz abgesehen davon, daß
sich in dem Bestreben, Fichte und Spinoza irgendwie zur Deckung
zu bringen, ganz deutlich die Linien einer, wie man sie genannt hat,
„mystischen“ Eigenphilosophie abzeichnen, steckt auch in seinen
kritizistischen Fragestellungen mindestens soviel unmittelbar
Kantischer wie Fichtescher Einfluß. Daß die grundstürzenden
Ergebnisse der Kantischen Kritik von den theologischen und philo-
sophischen Dogmatikern in dem „Pfaffen- und Schreiberland“
Württemberg so erschreckend leicht verarbeitet wurden, daß
 
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