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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0019
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Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus. 19
in dieser Frage versteckten Ansprüchen nicht genügen zu können
geglaubt. Seine Sehnsucht ging damals auf einen Aufenthalt in
Paris — sei es auch „nur auf ein Jahr“ ! Ein sehr positives Ver-
hältnis zum Staat scheint er doch auch in den ersten Jenaer
Jahren noch nicht gehabt zu haben. Der letzte Forscher, der sich
eingehend mit der Entwicklung seiner geschichtsphilosophischen
Anschauungen beschäftigte, Georg Mehlis, hat die begründete
Vermutung ausgesprochen, daß erst der Umgang mit Hegel ihn
nach 1800 zu der Überzeugung von einem selbständigen sittlichen
Wert des Staates geführt habe; noch das System des transzenden-
talen Idealismus läßt ihn, ganz im Sinne der Kantischen Ge-
schichtsphilosophie, nur als eine Vorstufe auf dem Wege zur welt-
bürgerlichen Verfassung gelten.
Diesen Endzustand denkt schon die Schrift vom „Ich“ in
der Weise, daß die Menschheit das „Prinzip der Einheit“, das
ihrer Geschichte als Regulativ zugrunde liegt — der Begriff der
Menschheit als Grundbegriff einer Philosophie der Geschichte —,
am Ende als konstitutives Gesetz verwirklichen werde, indem sie
alsdann „als eine vollendete Person demselben Gesetz der Freiheit
gehorchen werde“. Das Gesetz der Freiheit aber bedeutet — dies
der Grundgedanke der Anfang 96 geschriebenen Neuen Deduktion
des Naturrechts — einen unbedingten Vorrang der „Moral“ über
die „Ethik“, das will sagen der freien Persönlichkeit über das
Ganze: „der allgemeine Wille existiert nicht mehr, wenn es sich
um Rettung der Freiheit handelt“. Hätten alle moralischen
Wesen dies höchste Ziel erreicht, so gäbe es keinen Widerstreit
mehr unter ihnen, Naturmacht und Moralität wären im
Bunde. Das Recht nun führt auf diesen Endzustand zwar hin,
aber nur so, daß es sich selber aufhebt, denn es wird in seiner
Konsequenz notwendig Zwangsrecht, „d. h. es hebt alles Recht
auf“ und vertraut seine Erhaltung der physischen Übermacht.
Eben dies aber widerspricht grade dem „höchsten Beruf des Men-
schen“, der keine bloß äußere Naturmacht, keinen bloßen „Mecha-
nismus“ gegenüber der „moralischen Einheit der Zwecke“ gelten
lassen darf. So ergibt sich „das Problem eines Zustandes“, wo
beides, Naturmacht und Moralität, Mechanismus und Einheit der
Zwecke, eins seien; dieser Zustand liegt jenseits des Rechtes und
seines Zwangs; eine eigene Wissenschaft, nicht mehr das Natur-
recht beherrscht dieses Gebiet. Daß diese „neue Wissenschaft“
nicht, wie J. E. Erdmann und mit ihm noch S. Gewürz (1909)

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