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Franz Rosenzweig:
Briefe mit Hinweis auf Platon, daß eine vollendete Ästhetik
empirische Handlungen aufstellen ward, die nur als Nachahmungen
jener intellektualen Handlung erklärbar seien. Das Programma-
tische nur leicht verhüllend, spricht er es gelegentlich einer Be-
merkung über die „Einbildungskraft“ als das „verbindende Mittel-
glied der theoretischen und praktischen Vernunft“ aus: „man dürfe
hoffen, daß die Zeit jene Wissenschaft, wie sie Kant begründet hat,
bis zur Vollendung entwickeln werde“. Und zu dieser Ansicht
stimmt es, wenn wir hören, daß er während des in Stuttgart zu-
gebrachten Winters 95 auf 96 Kunststudien gemacht hat. Seine
Reisebriefe in der nächsten Zeit bezeugen jedenfalls ein lebendiges
ästhetisches Interesse.
Die Einleitung der „Ideen“ von 97 und weiterhin die 1798
entstandene Abhandlung im Philosophischen Journal VIII 2
(Ww. I 1, 461 ff.) sind dann das bisher älteste Zeugnis dafür, daß
Schelling auch die objektive Rolle des Ästhetischen als philosophi-
schen Inhalts anerkennt. Die Kunst ist da das „Dritte“, Vereini-
gung von Natur und Freiheit, theoretischer und praktischer Philo-
sophie, Natur und Geschichte. Hingegen sind schon in den Ab-
handlungen des Winters 96 auf 97 zu der doch noch recht vagen
Andeutung der Philosophischen Briefe mehrfache Hinweise auch
auf den „Organon“-Charakter der Kunst gekommen. Schelling
wirft da den Gedanken auf, der im Grunde schon in der angeführten
Stelle der Schrift vom „Ich“ steckte: daß innerhalb der Hand-
lungen des Geistes selber sich auch eine Handlung finden müsse,
welche die beiden Welten, theoretische und praktische Philosophie,
zusammenfasse und also die höchste Handlung des menschlichen
Geistes überhaupt sei. Als diese Handlung, „in welcher theore-
tische und praktische Philosophie Zusammenhängen“, entdeckt
er nun die „Selbstbestimmung des Geistes“, das Wollen, die
„Autonomie“. Sie ist, wie die höchste Handlung des Geistes, so
auch das „Prinzip“ des Philosophierens. Es scheint noch genau
das, was Anfang 1795 vom Ich ausgesagt war, nur daß, gemäß
der oben besprochenen Abwandlung, das Seinshafte jenes Ichs
jetzt in Aktivität, „Willen“, umgeschmolzen ist. Aber diesem
Gedanken gibt Schelling unter völligem Aufheben der 1795 an
ihn angeschlossenen geschichts- oder organismusphilosophischen
Ansätze nun in einer Anmerkung die Spitze, daß „eigentlich“’
diese ganze Untersuchung in die Ästhetik gehöre, wo er auch auf
Franz Rosenzweig:
Briefe mit Hinweis auf Platon, daß eine vollendete Ästhetik
empirische Handlungen aufstellen ward, die nur als Nachahmungen
jener intellektualen Handlung erklärbar seien. Das Programma-
tische nur leicht verhüllend, spricht er es gelegentlich einer Be-
merkung über die „Einbildungskraft“ als das „verbindende Mittel-
glied der theoretischen und praktischen Vernunft“ aus: „man dürfe
hoffen, daß die Zeit jene Wissenschaft, wie sie Kant begründet hat,
bis zur Vollendung entwickeln werde“. Und zu dieser Ansicht
stimmt es, wenn wir hören, daß er während des in Stuttgart zu-
gebrachten Winters 95 auf 96 Kunststudien gemacht hat. Seine
Reisebriefe in der nächsten Zeit bezeugen jedenfalls ein lebendiges
ästhetisches Interesse.
Die Einleitung der „Ideen“ von 97 und weiterhin die 1798
entstandene Abhandlung im Philosophischen Journal VIII 2
(Ww. I 1, 461 ff.) sind dann das bisher älteste Zeugnis dafür, daß
Schelling auch die objektive Rolle des Ästhetischen als philosophi-
schen Inhalts anerkennt. Die Kunst ist da das „Dritte“, Vereini-
gung von Natur und Freiheit, theoretischer und praktischer Philo-
sophie, Natur und Geschichte. Hingegen sind schon in den Ab-
handlungen des Winters 96 auf 97 zu der doch noch recht vagen
Andeutung der Philosophischen Briefe mehrfache Hinweise auch
auf den „Organon“-Charakter der Kunst gekommen. Schelling
wirft da den Gedanken auf, der im Grunde schon in der angeführten
Stelle der Schrift vom „Ich“ steckte: daß innerhalb der Hand-
lungen des Geistes selber sich auch eine Handlung finden müsse,
welche die beiden Welten, theoretische und praktische Philosophie,
zusammenfasse und also die höchste Handlung des menschlichen
Geistes überhaupt sei. Als diese Handlung, „in welcher theore-
tische und praktische Philosophie Zusammenhängen“, entdeckt
er nun die „Selbstbestimmung des Geistes“, das Wollen, die
„Autonomie“. Sie ist, wie die höchste Handlung des Geistes, so
auch das „Prinzip“ des Philosophierens. Es scheint noch genau
das, was Anfang 1795 vom Ich ausgesagt war, nur daß, gemäß
der oben besprochenen Abwandlung, das Seinshafte jenes Ichs
jetzt in Aktivität, „Willen“, umgeschmolzen ist. Aber diesem
Gedanken gibt Schelling unter völligem Aufheben der 1795 an
ihn angeschlossenen geschichts- oder organismusphilosophischen
Ansätze nun in einer Anmerkung die Spitze, daß „eigentlich“’
diese ganze Untersuchung in die Ästhetik gehöre, wo er auch auf