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Franz Rosenzweig:
Ebenso wenig kann ich sagen, was dem erhaltenen Blatt
vorausging. Sicher scheint nur soviel, daß das Systemprogramm
selbst uns so gut wie vollständig erhalten ist. Die Worte ,,eine
Ethik“, mit denen der letzte Satz des verlorenen Teils schloß,
zeigen, da diese Ethik ,,nichts anderes als ein vollständiges System
aller Ideen“ sein kann und die „erste Idee“ dann folgt, daß nichts
vorausging. Der verloren gegangene Teil mag etwa eine allgemeine
Vorbemerkung über das System der Philosophie enthalten haben.
Die Vorbemerkung war vielleicht ganz ausführlich und das kurze
Programm des Systems selber ihr nur als krönender Abschluß
aufgesetzt. Doch ist den Vermutungen hier ein fast unbeschränktes
Feld gelassen.
Festeren Boden betreten wir wieder, wenn wir die Zeit zu
bestimmen suchen, in der Schelling das Programm verfaßt haben
kann. Als spätesten Termin haben wir den terminus ad quem der
Hegelschen Niederschrift, also den Juli 1796. Im übrigen sind wir
auf inhaltliche Kriterien angewiesen.
An mehreren Stellen nimmt der Verfasser selbst auf den
Augenblick Bezug: da wo er erklärt, „auf die Felder der Physik“
herabsteigen zu wollen, um ihr „einmal wieder Flügel zu geben“',
ferner bei den „Prinzipien einer Geschichte der Menschheit“,
weiter da, wo er sein Wissen um die Abschlußstellung der Kunst
durch ein „nun“ ausdrücklich als ein eben gewonnenes bezeichnet,
endlich doch wohl auch — es läßt sich äußerlich nicht streng be-
weisen, hegt aber für den, der zu hören versteht, im Ton — da wo
er von der notwendigen neuen Mythologie spricht als einer „Idee,
die, soviel ich weiß, noch in keines Menschen Hirn gekommen ist“.
Benutzen wir diese Punkte als das Rückgrat der Untersuchung.
Den Niederstieg zur Physik, die Aneignung der „Data“ der
Erfahrung, hat Schelling Ostern 1796 begonnen. Andererseits
finden wir die naturphilosophische Grundfrage des System-
programms schon in einer Bemerkung der Schrift vom Ich vor-
gezeichnet; und es scheint kein anderer Ansatzpunkt für ein
naturphilosophisches Interesse vorhanden zu sein, als der moral-
philosophische: wie „eine Welt für ein moralisches Wesen be-
schaffen sein“ müsse; eine aus selbständigem theoretischem Inter-
esse hervorgehende „Flucht zur Natur“, wie Metzger sie in den
„Philosophischen Briefen“ zu sehen gemeint hat, darf man erst
für die Abhandlungen des Winters 96 auf 97 behaupten. So kommt
man mit den Worten „hier werde ich auf die Felder der Physik
Franz Rosenzweig:
Ebenso wenig kann ich sagen, was dem erhaltenen Blatt
vorausging. Sicher scheint nur soviel, daß das Systemprogramm
selbst uns so gut wie vollständig erhalten ist. Die Worte ,,eine
Ethik“, mit denen der letzte Satz des verlorenen Teils schloß,
zeigen, da diese Ethik ,,nichts anderes als ein vollständiges System
aller Ideen“ sein kann und die „erste Idee“ dann folgt, daß nichts
vorausging. Der verloren gegangene Teil mag etwa eine allgemeine
Vorbemerkung über das System der Philosophie enthalten haben.
Die Vorbemerkung war vielleicht ganz ausführlich und das kurze
Programm des Systems selber ihr nur als krönender Abschluß
aufgesetzt. Doch ist den Vermutungen hier ein fast unbeschränktes
Feld gelassen.
Festeren Boden betreten wir wieder, wenn wir die Zeit zu
bestimmen suchen, in der Schelling das Programm verfaßt haben
kann. Als spätesten Termin haben wir den terminus ad quem der
Hegelschen Niederschrift, also den Juli 1796. Im übrigen sind wir
auf inhaltliche Kriterien angewiesen.
An mehreren Stellen nimmt der Verfasser selbst auf den
Augenblick Bezug: da wo er erklärt, „auf die Felder der Physik“
herabsteigen zu wollen, um ihr „einmal wieder Flügel zu geben“',
ferner bei den „Prinzipien einer Geschichte der Menschheit“,
weiter da, wo er sein Wissen um die Abschlußstellung der Kunst
durch ein „nun“ ausdrücklich als ein eben gewonnenes bezeichnet,
endlich doch wohl auch — es läßt sich äußerlich nicht streng be-
weisen, hegt aber für den, der zu hören versteht, im Ton — da wo
er von der notwendigen neuen Mythologie spricht als einer „Idee,
die, soviel ich weiß, noch in keines Menschen Hirn gekommen ist“.
Benutzen wir diese Punkte als das Rückgrat der Untersuchung.
Den Niederstieg zur Physik, die Aneignung der „Data“ der
Erfahrung, hat Schelling Ostern 1796 begonnen. Andererseits
finden wir die naturphilosophische Grundfrage des System-
programms schon in einer Bemerkung der Schrift vom Ich vor-
gezeichnet; und es scheint kein anderer Ansatzpunkt für ein
naturphilosophisches Interesse vorhanden zu sein, als der moral-
philosophische: wie „eine Welt für ein moralisches Wesen be-
schaffen sein“ müsse; eine aus selbständigem theoretischem Inter-
esse hervorgehende „Flucht zur Natur“, wie Metzger sie in den
„Philosophischen Briefen“ zu sehen gemeint hat, darf man erst
für die Abhandlungen des Winters 96 auf 97 behaupten. So kommt
man mit den Worten „hier werde ich auf die Felder der Physik