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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0037
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Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.

37

VI.
Mag auch der Gedankengehalt des Programms fast in allen
Einzelheiten in den bekannten Schriften Schellings schon für
die erste Epoche nachzuweisen sein — die Tatsache allein, daß
Schelling damals ein vollständiges System entworfen hatte, wäre
dennoch geeignet, unsere Vorstellungen von seinem Entwicklungs-
gänge zu erneuern. Das Programm zeigt den inneren Kosmos
des eben einundzwanzig Jahre alten Denkers so beisammen,
so alle tausend Verbindungen mit einem Schlage geschlagen, wie
man bisher nie geahnt hatte. Das Bild, das wir bisher von Schelling
hatten, war das, was Hegel später einmal in dem bekannten bos-
haften Wort formuliert hat: Schelling habe seine Entwicklung
vor dem Publikum gemacht. Es bleibt daran etwas Wahres.
Aber man wird das Wort „Entwicklung“ in diesem Satz fortan
viel hegelischer nehmen müssen, als man es nahm. Nicht der
„Proteus des Idealismus“ darf uns Schelling fürderhin heißen,
der am eigenen Leibe Schritt für Schritt die Stadien der geistes-
geschichtlichen Entwicklung vom subjektiven Idealismus Fichtes
zur Frühromantik des Athenäumskreises, weiter zum objektiven
Idealismus, den später Hegel ausbildete, endlich zur spätromantisch-
reaktionären Geschichts- und Glaubensphilosophie mitgemacht
hätte. Nicht der Mann einer unendlichen Empfänglichkeit, allen
Eindrücken von außen blitzschnell zugänglich und sie mit einem
merkwürdigen Gemisch von Genialität und schnellfertiger Scho-
lastik zu Systemen und Systemaufrissen verarbeitend. Dies Bild,
das schon bisher ernster Spezialuntersuchung bei Metzger wie
bei Braun nicht Stand gehalten hatte, muß nun vollends beiseite-
gestellt werden. Unmittelbar nachdem Schelling sich einen Stand-
punkt in den letzten philosophischen Fragen gesichert zu haben
glaubte, erschloß sich ihm die Aufgabe, den „magischen Kreis“
des Fichteschen Idealismus zu durchbrechen, und mit einem
Schlage standen vor ihm die drei großen Aufgaben seines Lebens:
die Philosophie der Natur, die Philosophie der Kunst und die
Philosophie der Mythologie. Von den fünf Teilen des Programms
sind es diese drei, die schon äußerlich in Ton und Wendung sich
als das Neue, das Hier und Nun, der Kundgebung bezeichnen.
Ebenso charakteristisch, daß in dem metaphysischen und dem
ethischen Teil diese Wendungen — „hier werde ich“ „ich bin nun
überzeugt“ „soviel ich weiß noch in keines Menschen Sinn ge-
kommen“ — fehlen; in Metaphysik und Ethik glaubt sich der
 
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