Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0031
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts.

31

über dem jüngeren Paar audibam und audibö. Diese letzterwähn-
ten Formen gehören erst der Zeit an, als sich die 4. Konjugation
bereits selbständig ausgewachsen hatte und in vieler Hinsicht
ein Gegenstück zur 1. und 2. bildete. Daher wollte man in der
4. Konjugation vor den Endungen möglichst -l in all den Fällen
durchgeführt sehen, wo in der 1. ein -ä, in der 2. Konjug. ein
-e sich fand: laudärem : laudäbam = monerem : monebam = audl-
rem : audibam (statt audiebam): folglich ist audibam (und erst
recht audibö neben dem alten Futurum audiam audies usw. wegen
dieses Zusammenhangs mit laudäbo, monebo) die jüngste aller
dieser italischen Neubildungen, insbesondere jünger als amäbam,
monebam, da es sie zu seinem Zustandekommen voraussetzt. Vgl.
dazu die guten Ausführungen von L. Siegel, Imperfekt 'audibam’
und Futur 'audibö’ in den Commentationes Aenipontanae V, 1910,
aber auch bereits Skutsch Atti 202f., der mit Recht darauf auf-
merksam macht, daß es von Verben der 3. Konjugation auf -iö
wie faciö, capiö keine Formen *faclbam, *caplbam (wie bei der
4. audibam) gibt. Dies ist deshalb nicht möglich, weil diese Gruppe
von /acere, capere mit amäre, monere keine gemeinsame Beziehung
hatten. Aber diese chronologische Aufeinanderfolge 1. audiebam
2. audibam 3. audibö vermag keineswegs, wie auch Siegel noch
meinte, die Partizipiums-Theorie Skutschs zu bestätigen oder
gar zu erweisen.
36. Daß die Entwicklung in der Tat so vor sich ging, wie wir
sie geschildert haben, beweist schließlich noch das Fehlen eines
Futurs *audiebo trotz audiebam; dieses Imperfekt war, wie eben
ausgeführt, nach faciebam usw. gebildet zur Zeit, als diese Gruppen
sich noch nicht getrennt hatten. In der 3. Konjugation liegt aber
als Futurum der alte idg. Konjunktiv thematischer Verba {aget)
vor, also konnte ein ö-Futurum hier keinen Platz haben. Sobald
sich aber später die 4. Konjugation abgetrennt hatte, gewannen
die Verba auf -Ire Fühlung mit den ähnlich gebauten auf -äre und
-ere: daher wurde audiebam durch audl-bam (: audlre, wie laudäre :
laudäbam, monere : monebam) ersetzt. Jetzt machte sich das Vor-
bild der 1. und 2. Konjugation aber auch im Hinblick auf die
Futurbildung geltend, und nach der Proportion laudäbö : laudä-
bam, monebö : monebam stellte sich an die Seite von audibam eine
Neubildung audibö, ganz dessen ungeachtet, daß die 4. Kon-
jugation aus alter Zeit schon ein Futurum (audiam, audies usw.)
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften