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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0024
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24

Hermann Güntere:

war. Denn auch rare war nach Charisius1 alt und gehört schon
Plautus Rud. 995 an. Nehmen wir dazu, daß das Plautinische
frlgidefactäre eine Mischbildung und Kontaminationsform von
Adv. frigide (zu frlgidus) und frlgefactäre war, daß aus vacsfieri bei
Lucr. VI, 1005.1017 sehr leicht Ciceros vacue-facere mit Anlehnung
an vacuus entstehen konnte, daß obdürefacere (Non. 23, 7) sowohl
zu dürere (das freilich nur von Grammatikern bezeugt ist), als zu
dürus gestellt werden kann, daß mätürefacere entweder zu mätü-
resco gebildet wurde oder das Adverb zu mätürus enthielt, so haben
wir eine ganze Reihe von Möglichkeiten genannt, die das Sprach-
gefühl der Römer nötigte, in unseren Kompositen Zusammen-
setzungen mit Adverbien auf -e zu empfinden. Dabei haben die
ganz anders entstandenen Formen, wie benefacere, satisfacere,
fabrefactus (Livius 37, 27), beneficium, beneficus, maleficus usw.
diese Täuschung vollenden helfen2 * *.
V.
27. Eine andere Bildung, die mit den italischen Imperfekten
engstens zusammengehört, ist das //^-Futurum, in dem wir eine
ganz ähnliche Kompositionsbildung wiedererkennen. Daß diese
Form italisch ist, dafür spricht das faliskische carefo 'carebo’,
pipafo 'bibanT in der Becherinschrift foied vino pipafo, kra karefo.
Daraus, daß die Osker und Umbrer, soviel wir wenigstens bis jetzt
wissen, kein /-Futurum kennen, darf man nicht auf speziell falisko-
lateinische Beschränkung dieser Bildung schließen, wie das Skutsch
Atti 192 tun möchte: es gibt ja auch innerhalb des Latein zwei
Futurbildungen, und vor allem sind osk. deiuast 'iurabit’ und
censazet 'censebunt5 oder umbr. prupehast 'piabit5 keineswegs alte,
idg. Futura, sondern bekanntlich nichts als Konjunktive kurz-
vokalischer Aoriste! Es ist also ungenau, wenn Skutsch behaup-
tet, alle anderen Dialekte bildeten das Futur ,,in der gemein-
1 Gramm, lat. Keil I, S. 192: quorum ratio cum in e litteram dirigatur,
ut rare rarius rarissime etc.
2 Die Bildungen videlicet, ilicet, scilicet scheinen junge Zusammenrük-
kungen des Infinitivs mit licet zu sein (Skutsch, Atti 192 Fußn., Glotta I,
404), eine Art Allegroformen, deren Einbürgerung begünstigt wurde, weil
man Zusammensetzungen mit dem „Stamm“ empfand. Der Gedanke, auch
das Imperfekt könne aus Zusammenrückung mit solchen „verkürzten Infini-
tiven“ erwachsen sein (Löwe IF 4, 374), ist auf Grund lautchronologischer
Erwägungen abzuweisen.
 
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