Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts.
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IV.
21. Ja sogar aus dem Latein selbst läßt sich diese Umgestal-
tung alter Tempusstämme bezw. Verbalstämme durch unmittel-
bare Anfügung eines Hilfsverbums erweisen: schon Pedersen
Vgl. Gr. II, 448 vergleicht mit den erwähnten keltischen Verbal-
komposita mit der Kopula „unbedenklich“ lat. liquefacio, cale-flo,
pateflo und erklärt, es handle sich in diesen Fällen um dieselbe
„uralte italo-keltische Ausdrucksweise“. In der Tat können auch
vom einzelsprachlich lateinischen Standpunkt die seltsamen Bil-
dungen wie calefacio „mache warm“, lique-facio „mache flüssig“,
patefacio „öffne“ usw„ die W. Deecke in seinem Programm
„Facere und fieri in ihrer Komposition mit andern Verbis“, Straß-
burg 1873 gesammelt hat, nicht von der Imperfektbildung getrennt
werden. Mit Skutschs Behandlung dieses Verbaltypus (Atti
S. 193ff.) kann ich mich trotz Sommers Beistimmung (Erl. 144)
in keiner Weise einverstanden erklären; natürlich leitet er caleflo,
das er für ursprünglicher ansehen muß als calefacere (aus calen-
tem facerel) aus *calens-flo ab, wie er denn auch in einer Menge
anderer Formen (wie in amässim, umbr. dersafust, osk. (aa)manaf-
fed) unbarmherzig Stowassers Einfall zu Tod hetzt. Für die
lautliche Seite der Frage gelten auch für diese Verba die bereits
oben hervorgehobenen Bedenken (§ 7), wenn auch hier keine
osk.-umbrischen Formen zur Verfügung stehen: *calens-fio hätte
wohl zu *calenffio, *calenffio führen müssen, da s+f in urlateini-
scher Zeit und jedenfalls vor dem Verklingen des n zu ff (wie in
alat. difficul, differo usw.) werden mußte. Dafür, daß das Passiv
pateflo älter sei als das Aktiv patefacere vermißt man jeden Beweis,
jeden Anhaltspunkt in der Überlieferung. Da aber die Konstruk-
tion eines von facere abhängigen Partizips noch bei Plautus nach
Skutschs eigenem Nachweis lebendig ist, ist die Voraussetzung
einer „Erstarrung“ ganz unwahrscheinlich, ja unglaublich1: kurz,
die nämlichen Erwägungen, die uns zur Verwerfung jener Herlei-
tung des Imperfekts aus Partizipien bestimmten, veranlassen uns
auch hier dazu, diese Auffassung a limine abzuweisen. Freilich
darin hatte Skutsch Recht, wenn er gegen die frühere Auffassung,
auch in patefacere sei pate- ein „infinitivartiges Gebilde“ oder
ein Absolutivum (Jacobi KZ 35, 586), sich sträubte.
1 Im Sen. cons. de Bacch. 23 steht — von Skutsch selbst zitiert —■:
senatuosque sententiam utei scientes esetis. Plaut. Poen. 1038: ut tu sis sciens:
von einer „Erstarrung“ ist da nichts zu merken.
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IV.
21. Ja sogar aus dem Latein selbst läßt sich diese Umgestal-
tung alter Tempusstämme bezw. Verbalstämme durch unmittel-
bare Anfügung eines Hilfsverbums erweisen: schon Pedersen
Vgl. Gr. II, 448 vergleicht mit den erwähnten keltischen Verbal-
komposita mit der Kopula „unbedenklich“ lat. liquefacio, cale-flo,
pateflo und erklärt, es handle sich in diesen Fällen um dieselbe
„uralte italo-keltische Ausdrucksweise“. In der Tat können auch
vom einzelsprachlich lateinischen Standpunkt die seltsamen Bil-
dungen wie calefacio „mache warm“, lique-facio „mache flüssig“,
patefacio „öffne“ usw„ die W. Deecke in seinem Programm
„Facere und fieri in ihrer Komposition mit andern Verbis“, Straß-
burg 1873 gesammelt hat, nicht von der Imperfektbildung getrennt
werden. Mit Skutschs Behandlung dieses Verbaltypus (Atti
S. 193ff.) kann ich mich trotz Sommers Beistimmung (Erl. 144)
in keiner Weise einverstanden erklären; natürlich leitet er caleflo,
das er für ursprünglicher ansehen muß als calefacere (aus calen-
tem facerel) aus *calens-flo ab, wie er denn auch in einer Menge
anderer Formen (wie in amässim, umbr. dersafust, osk. (aa)manaf-
fed) unbarmherzig Stowassers Einfall zu Tod hetzt. Für die
lautliche Seite der Frage gelten auch für diese Verba die bereits
oben hervorgehobenen Bedenken (§ 7), wenn auch hier keine
osk.-umbrischen Formen zur Verfügung stehen: *calens-fio hätte
wohl zu *calenffio, *calenffio führen müssen, da s+f in urlateini-
scher Zeit und jedenfalls vor dem Verklingen des n zu ff (wie in
alat. difficul, differo usw.) werden mußte. Dafür, daß das Passiv
pateflo älter sei als das Aktiv patefacere vermißt man jeden Beweis,
jeden Anhaltspunkt in der Überlieferung. Da aber die Konstruk-
tion eines von facere abhängigen Partizips noch bei Plautus nach
Skutschs eigenem Nachweis lebendig ist, ist die Voraussetzung
einer „Erstarrung“ ganz unwahrscheinlich, ja unglaublich1: kurz,
die nämlichen Erwägungen, die uns zur Verwerfung jener Herlei-
tung des Imperfekts aus Partizipien bestimmten, veranlassen uns
auch hier dazu, diese Auffassung a limine abzuweisen. Freilich
darin hatte Skutsch Recht, wenn er gegen die frühere Auffassung,
auch in patefacere sei pate- ein „infinitivartiges Gebilde“ oder
ein Absolutivum (Jacobi KZ 35, 586), sich sträubte.
1 Im Sen. cons. de Bacch. 23 steht — von Skutsch selbst zitiert —■:
senatuosque sententiam utei scientes esetis. Plaut. Poen. 1038: ut tu sis sciens:
von einer „Erstarrung“ ist da nichts zu merken.
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