38
Hermann Güntert:
in den armenischen Imperfekten wie berei „ich trug“ und „ich
wurde getragen“ (von berem und beriml)1 das Ergebnis einer ähn-
lichen Kompositionsbildung sehen. Denn nach Meillet sollen
in den Ausgängen -ir- usw. alte Präterita von em „bin“ stecken:
,*i repondrait bien a homerique tja, skr. asa, c’est-ä-dire ä l’ancien
parfait.“ Dieser Deutung vermag ich aus zwei Gründen keinen
rechten Glauben entgegenzubringen, wobei ich die Vieldeutigkeit
des armen, i nicht weiter betonen will: einmal weiß ich mit dem
Stamm bere- in berei nichts anzufangen. Soll das der Präsens-
stamm sein? vgl. Inui „füllte“ : Inum „fülle“, la-y-i „weinte“
zu lam „weine“. Meillet äußert sich auch sehr zurückhaltend
über diesen Punkt: „L’emploi du theme du present avant cet
ancien preterit du verbe etre est un fait qu’on constate, mais
qu’il est malaise d’expliquer, ä peu pres comme les premiers termes
des formes composees analogues des autres langues, lat. lege-bam,
v. sl. nese-ackb, got. nasi-da etc.“ Wer unserer Darstellung ge-
folgt ist, wird dies nicht billigen können. Eher könnte man darauf
hinweisen, daß auch sonst, im Latein und im Slavischen, die „Stam-
form“ des Präsenssystems verallgemeinert worden sei (vgl. oben
§ 10 u. 32). Es verdient aber zweitens Beachtung, daß die Kopula
im Armenischen ein ganz entsprechendes Imperfekt bildet: man
vgl. nur
Sg. 1. ei „war“
mit Sg.
1. berei „ich trug“ und
2. eir
2. bereit"
(„ich wurde
3. er
3. berer
getragen-'
PL 1. eakh
PL
1. bereakh
2. eikh
2.. b er eikh
3. ein
3. herein.
Die Übereinstimmung ist also vollkommen, und die Armenier
konnten von ihrem Standpunkt aus kaum etwas anderes im Imper-
fekt berei empfunden haben als könnte man im Neuhochd. eine
Bildung wagen wie „trag-war“, „trag-warst“ usw., und insofern,
als das Sprachgefühl hier eine Zusammensetzung des Verbal-
stamms mit der Kopula empfunden haben muß, ist auch das
armen. Imperfekt eine Parallele für unser ital. Imperfektum.
1 Vgl. mit dieser auffallenden Doppelbedeutung die komponierte Form
des irischen z-Präter. 3. Sing.: -alt „er erzog“ und „er wurde erzogen“.
Hermann Güntert:
in den armenischen Imperfekten wie berei „ich trug“ und „ich
wurde getragen“ (von berem und beriml)1 das Ergebnis einer ähn-
lichen Kompositionsbildung sehen. Denn nach Meillet sollen
in den Ausgängen -ir- usw. alte Präterita von em „bin“ stecken:
,*i repondrait bien a homerique tja, skr. asa, c’est-ä-dire ä l’ancien
parfait.“ Dieser Deutung vermag ich aus zwei Gründen keinen
rechten Glauben entgegenzubringen, wobei ich die Vieldeutigkeit
des armen, i nicht weiter betonen will: einmal weiß ich mit dem
Stamm bere- in berei nichts anzufangen. Soll das der Präsens-
stamm sein? vgl. Inui „füllte“ : Inum „fülle“, la-y-i „weinte“
zu lam „weine“. Meillet äußert sich auch sehr zurückhaltend
über diesen Punkt: „L’emploi du theme du present avant cet
ancien preterit du verbe etre est un fait qu’on constate, mais
qu’il est malaise d’expliquer, ä peu pres comme les premiers termes
des formes composees analogues des autres langues, lat. lege-bam,
v. sl. nese-ackb, got. nasi-da etc.“ Wer unserer Darstellung ge-
folgt ist, wird dies nicht billigen können. Eher könnte man darauf
hinweisen, daß auch sonst, im Latein und im Slavischen, die „Stam-
form“ des Präsenssystems verallgemeinert worden sei (vgl. oben
§ 10 u. 32). Es verdient aber zweitens Beachtung, daß die Kopula
im Armenischen ein ganz entsprechendes Imperfekt bildet: man
vgl. nur
Sg. 1. ei „war“
mit Sg.
1. berei „ich trug“ und
2. eir
2. bereit"
(„ich wurde
3. er
3. berer
getragen-'
PL 1. eakh
PL
1. bereakh
2. eikh
2.. b er eikh
3. ein
3. herein.
Die Übereinstimmung ist also vollkommen, und die Armenier
konnten von ihrem Standpunkt aus kaum etwas anderes im Imper-
fekt berei empfunden haben als könnte man im Neuhochd. eine
Bildung wagen wie „trag-war“, „trag-warst“ usw., und insofern,
als das Sprachgefühl hier eine Zusammensetzung des Verbal-
stamms mit der Kopula empfunden haben muß, ist auch das
armen. Imperfekt eine Parallele für unser ital. Imperfektum.
1 Vgl. mit dieser auffallenden Doppelbedeutung die komponierte Form
des irischen z-Präter. 3. Sing.: -alt „er erzog“ und „er wurde erzogen“.