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Hermann Güntert:
sinnig und geistreich sein mögen, zweifellos sind sie aber methodisch
äußerst schwach begründet, und um Beweise und chronologische
Verhältnisse kümmert sich der Verb gar nicht: es ist eine viel zu
allgemein angelegte, fast nur auf Äußerlichkeiten beruhende Unter-
suchung, wie sie das helle Entzücken aller sprachwissenschaftlich
interessierten Dilettanten erregen mag. Wer aber rein sachlich
und fachlich diesem etymologischen Spiel nähertritt, wird reichlich
enttäuscht und legt trotz manch erwägenswerter Einzelheiten
verstimmt über das Verpuffen soviel Kombinationstalents und
über solch virtuos gehandhabte Tranchierkunst die Blätter zur
Seite. Oder wer mag etwa glauben, daß rexero in rex±erö zu zer-
legen sei, lüxerit in lüx+erit (a. a. 0. 5f.), daß euplaxco aus süpia
+ [sg]zco, ai. hanisyäti eigentlich aus hani-syäti ('ad-caedem est’
S. 13) gebildet sei? Daß ai. bhärasi, gr. «pepsi^ ein *bher-esi ,,du
hist (esi) tragend“ fortsetze ? Für Fay wäre es also ein Muster-
fall, wie er ihn sich nicht besser wünschen könnte, wenn man
ihm arm. berei neben ei nennen oder ihn auf das Nebeneinander
von neupers. baram „trage“ : am „ich hin“, bari „du trägst“ : i
„du bist“, plur. barim : im, barid : id, barand : and (Horn Grdr.
d. iran. Phil. 1, 2, 143, Verf. Reimwortbildungen 188 Fußn. 1)
hinweisen würde: wir aber wissen, daß selbst hier der Schein
trügt, wie es auch beim schwachen germ. Präteritum der Fall war;
in all diesen Beispielen ist erst sekundär und nachträglich nach langen
gegenseitigen Ausgleichungen der symmetrische Parallelismus
entstanden, dessen Lockungen Fay zum Opfer fiel. Ich verzichte
daher auf eine Widerlegung im einzelnen und begnüge mich mit der
Probe, daß nach ihm lat. audibit sich einfach und schmerzlos in
*audi+ibit „er wird gehen“ auseinanderklappen läßt (a. a. 0. S. 15,
§ 38): da hoeret ouh geloube zuo!
Nach dieser Methode müßte man in neugriech. passiv. Aoristen,
wie £ypacph7]xa „ich wurde eingeschrieben“, scpoßYjbyjxa „ich bekam
Angst“, syntg7)h7)xa „ich schlief ein“ usw. Zusammensetzungen
des Verbalstamms mit efhjxa erkennen! Es war ja auch ein Irrtum,
wenn man lat. tuluderö in *tutud+erö, tutuderam in *tutud+eram
zerlegte: hier sind nicht erö und er am an den Perfektstamm ange-
pappt, sondern die Ausgänge wurden erst nachträglich nach
dem Muster von erö, eram umgestaltet. Ein weiteres Beispiel sol-
cher sekundären Umgestaltung von Verbalausgängen bildet das
osk.-umbr. Futurum exactum, Formen wie osk. fejacust 'feceriF,
umbr. benust 'venerit’, dia vom Perfekt aus mit Umgestaltung
Hermann Güntert:
sinnig und geistreich sein mögen, zweifellos sind sie aber methodisch
äußerst schwach begründet, und um Beweise und chronologische
Verhältnisse kümmert sich der Verb gar nicht: es ist eine viel zu
allgemein angelegte, fast nur auf Äußerlichkeiten beruhende Unter-
suchung, wie sie das helle Entzücken aller sprachwissenschaftlich
interessierten Dilettanten erregen mag. Wer aber rein sachlich
und fachlich diesem etymologischen Spiel nähertritt, wird reichlich
enttäuscht und legt trotz manch erwägenswerter Einzelheiten
verstimmt über das Verpuffen soviel Kombinationstalents und
über solch virtuos gehandhabte Tranchierkunst die Blätter zur
Seite. Oder wer mag etwa glauben, daß rexero in rex±erö zu zer-
legen sei, lüxerit in lüx+erit (a. a. 0. 5f.), daß euplaxco aus süpia
+ [sg]zco, ai. hanisyäti eigentlich aus hani-syäti ('ad-caedem est’
S. 13) gebildet sei? Daß ai. bhärasi, gr. «pepsi^ ein *bher-esi ,,du
hist (esi) tragend“ fortsetze ? Für Fay wäre es also ein Muster-
fall, wie er ihn sich nicht besser wünschen könnte, wenn man
ihm arm. berei neben ei nennen oder ihn auf das Nebeneinander
von neupers. baram „trage“ : am „ich hin“, bari „du trägst“ : i
„du bist“, plur. barim : im, barid : id, barand : and (Horn Grdr.
d. iran. Phil. 1, 2, 143, Verf. Reimwortbildungen 188 Fußn. 1)
hinweisen würde: wir aber wissen, daß selbst hier der Schein
trügt, wie es auch beim schwachen germ. Präteritum der Fall war;
in all diesen Beispielen ist erst sekundär und nachträglich nach langen
gegenseitigen Ausgleichungen der symmetrische Parallelismus
entstanden, dessen Lockungen Fay zum Opfer fiel. Ich verzichte
daher auf eine Widerlegung im einzelnen und begnüge mich mit der
Probe, daß nach ihm lat. audibit sich einfach und schmerzlos in
*audi+ibit „er wird gehen“ auseinanderklappen läßt (a. a. 0. S. 15,
§ 38): da hoeret ouh geloube zuo!
Nach dieser Methode müßte man in neugriech. passiv. Aoristen,
wie £ypacph7]xa „ich wurde eingeschrieben“, scpoßYjbyjxa „ich bekam
Angst“, syntg7)h7)xa „ich schlief ein“ usw. Zusammensetzungen
des Verbalstamms mit efhjxa erkennen! Es war ja auch ein Irrtum,
wenn man lat. tuluderö in *tutud+erö, tutuderam in *tutud+eram
zerlegte: hier sind nicht erö und er am an den Perfektstamm ange-
pappt, sondern die Ausgänge wurden erst nachträglich nach
dem Muster von erö, eram umgestaltet. Ein weiteres Beispiel sol-
cher sekundären Umgestaltung von Verbalausgängen bildet das
osk.-umbr. Futurum exactum, Formen wie osk. fejacust 'feceriF,
umbr. benust 'venerit’, dia vom Perfekt aus mit Umgestaltung