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HANS DRIESCH :
Das Lebenswesentliche und ,,Materie", in dem von der Phvsiko-
chemie definierten Sinne, sind grundsätzlich verschieden. Ins-
besondere geht es nicht etwa an, wie K. C. SCHNEIDER wilP, eine
solche Substanz in dem Sinne anzunehmen, daß sie, mit vitalen,
eigengesetzlichen Vermögen ausgestattet, fremde unbelebte Materie
bei der sogenannten Assimilation ,,sich selbst angleiche", ohne
sich dabei zu verändernd
Das, was ,,assimiliert" — (aber nicht mit dem Ergebnis einer
,,lebenden Substanz", sondern mit dem Ergebnis der allerverschie-
densten, jedesmal chemisch wohl gekennzeichneten synthetischen
Produkte) — ist vielmehr das immaterielle vitale Agens, die
Roux hat klar erkannt^, ,,daß es ,Selbstassimilation' im
,analvtischen' Sinne, also in dem Sinne, daß ein bei der Assi-
milation mitwirkender Teil ihm selber Gleiches bilde, nicht geben
kann". ,,Das organische Assimilationsproblem besteht" nach
Roux vielmehr ,,darin, daß immer dieselben Ausgangsbedingungen
zur Entstehung eines Gebildes von einem ihm gleichen Gebilde
determiniert und hergestellt werden. Solches kann nur ein ganz
bestimmt kombinierter, geschlossener Komplex von
Ursachen leisten".
Roux sieht klar die Unmöglichkeit eines echten ,,Sichanglei-
chens" seitens einer ,gebenden Substanz" (im Sinne einer bestimm-
ten chemischen Verbindung). Er glaubt nun freilich fälschlich,
im mechanistischen Sinne, folgendes annehmen zu dürfen: ^Assi-
milation" im Sinne irgendeiner bestimmten, einen bestimmten
einzelnen chemischen Bestandteil des Organismus X herstellenden
Synthese hängt vom geordneten Dasein der bestimmten einzelnen
chemischen Bestandteile A, B, G usw. ab, und das Getriebe des
Organismus sei eben derart, daß für jedes X die notwendige Kon-
stellation A, B, C usw. immer wieder realisiert werde. Mit Recht
wird hier das Assimilationsproblem auf das allgemeine Problem
der organischen Ordnung oder Lokalisation zurückgeführt;
aber eben dieses ist mechanisch unlösbar.
* 1903.
2 Meine Einwände gegen SCHNEIDER s. in BioL Centralblatt 23, 1903,
S. 732 ff.
3 Am eingehendsten in: Die Dn^icMMMgewecAcmiA ein. nener Zireig
de/' IFissenscAnE, 1905, S. 119 ff.
HANS DRIESCH :
Das Lebenswesentliche und ,,Materie", in dem von der Phvsiko-
chemie definierten Sinne, sind grundsätzlich verschieden. Ins-
besondere geht es nicht etwa an, wie K. C. SCHNEIDER wilP, eine
solche Substanz in dem Sinne anzunehmen, daß sie, mit vitalen,
eigengesetzlichen Vermögen ausgestattet, fremde unbelebte Materie
bei der sogenannten Assimilation ,,sich selbst angleiche", ohne
sich dabei zu verändernd
Das, was ,,assimiliert" — (aber nicht mit dem Ergebnis einer
,,lebenden Substanz", sondern mit dem Ergebnis der allerverschie-
densten, jedesmal chemisch wohl gekennzeichneten synthetischen
Produkte) — ist vielmehr das immaterielle vitale Agens, die
Roux hat klar erkannt^, ,,daß es ,Selbstassimilation' im
,analvtischen' Sinne, also in dem Sinne, daß ein bei der Assi-
milation mitwirkender Teil ihm selber Gleiches bilde, nicht geben
kann". ,,Das organische Assimilationsproblem besteht" nach
Roux vielmehr ,,darin, daß immer dieselben Ausgangsbedingungen
zur Entstehung eines Gebildes von einem ihm gleichen Gebilde
determiniert und hergestellt werden. Solches kann nur ein ganz
bestimmt kombinierter, geschlossener Komplex von
Ursachen leisten".
Roux sieht klar die Unmöglichkeit eines echten ,,Sichanglei-
chens" seitens einer ,gebenden Substanz" (im Sinne einer bestimm-
ten chemischen Verbindung). Er glaubt nun freilich fälschlich,
im mechanistischen Sinne, folgendes annehmen zu dürfen: ^Assi-
milation" im Sinne irgendeiner bestimmten, einen bestimmten
einzelnen chemischen Bestandteil des Organismus X herstellenden
Synthese hängt vom geordneten Dasein der bestimmten einzelnen
chemischen Bestandteile A, B, G usw. ab, und das Getriebe des
Organismus sei eben derart, daß für jedes X die notwendige Kon-
stellation A, B, C usw. immer wieder realisiert werde. Mit Recht
wird hier das Assimilationsproblem auf das allgemeine Problem
der organischen Ordnung oder Lokalisation zurückgeführt;
aber eben dieses ist mechanisch unlösbar.
* 1903.
2 Meine Einwände gegen SCHNEIDER s. in BioL Centralblatt 23, 1903,
S. 732 ff.
3 Am eingehendsten in: Die Dn^icMMMgewecAcmiA ein. nener Zireig
de/' IFissenscAnE, 1905, S. 119 ff.