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Driesch, Hans [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 3. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 1 — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37665#0065
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Logische Studien über Entwicklung.

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beteiligten Geschehnis sagen, es war ,,eigentlich" für diesen Effekt gleich-
gültig, denn der Effekt ,,wäre" auch eingetreten ohne es, das ist für den
Deterministen völlig sinnlos und für den Indeterministen eine sehr oberfläch-
liche Rede; denn er weiß das nicht, worüber er hier urteilt.
Er könnte ja freilich recht haben und zwar in zweifacher Form:
Auf dem Boden der üblichen einzelkausalen Betrachtungsweise könnte
gesagt werden: hätte die Person A (der Staatsmann) in Freiheit anders ge-
handelt, so hätten auch andere Personen B, G usw. in Freiheit anders gehan-
delt, als sie gehandelt haben, und das hätte vielleicht zum gleichen Effekt
geführt.
Auf dem Boden der Überpersönlichkeitslehre möchte man sagen: der
freie ,,Geist" hätte sich durch ein B offenbart, wenn A in seiner individuellen
Zufälligkeit, welche ja der Dualismus, den wir vertreten, zulassen muß, un-
geeignet gewesen oder gar vorzeitig gestorben wäre*.
Niemand weiß das eine oder das andere. Und daher soll die nichts-
sagende Rede ,,Es wäre doch anders gekommen" unterbleiben. Sie soll wohl
meist der Gewissensberuhigung dienen. Sie tut das nicht vor dem In-
tellekt.

Jede auf das Experiment gegründete naturtheoretische Erörterung
gründet sich auf den Begriff der MdgAcMeft. Es sollen im folgenden einige
der großen Schwierigkeiten, welche der Begriff mö'gA'cA hier in sich birgt,
gezeigt werden.
Der Begriff na(n7vadgA'cA bezeichnet, im Unterschiede von der bloß
logischen, d. h. den Satz vom Widerspruch nicht verletzenden Möglichkeit,
alles, was mit den Ggse^zea der Naturerfahrung übereinstimmU.
Er setzt voraus, daß es für das Naturwirkliche geltende Gesetze gibt,
und zwar, streng genommen, daß dieselben Naturgesetze^ gegolten haben,
i Siehe vorige Anm.
^ 0. A., Seite 170 ff.
3 Den Begriff (Natur-)Geselz fasse ich sehr allgemein, d. h. als Ausdruck
dafür, daß eine Soseinsverknüpfung im Sinne des Bei- und Nacheinander
als Alas.se mit vielen, (,,also" wohl lauter) Fallen vorhanden ist.
Siehe das Register der PL. A. Vgl. auch den Aufsatz: Zar AeAre coa der 7a-
duAAca in diesen Sitzungsberichten, 1915, Nr. 11. Gesetze können von ver-
schiedenem Range, d. h. können als Gesetze in verschiedenem Grade ge-
sichert sein; den niedersten Rang bildet die enumerative ,,Regel", deren
Ausnahmslosigkeit noch nicht erhärtet ist, den höchsten das Gesetz in experi-
mentell erhärteter quantitativer Formung. Im HuMEsehen Sinne ,,geglaubt
werden muß aber auch an das Gesetz in seiner höchsten Form, weil die aaf-
/oranty o/ coarse o/ nuitare, um mit MiLL zu reden, grundsätzlich unbe-
weisbar ist. — Roux (am eingehendsten in ArcAic für Aa;wtc/duag.sn?ecAaa;A
5, 1897, S. 294 ff.) trennt noch schärfer und will das Wort ,,Gesetz" nur auf
ursächliche Beziehungen, also nicht auf Beziehungen des Beieinander, an-
wenden (wie auch ich in der 0. A. Seite 149). Ich glaube aber nicht, daß
Roux und ich in der Sache selbst wesentlich verschieden denken.
 
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