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R. Reitzenstein:
von Sündern. Die zweite liegt uns rein in manichäischen Darstellun-
gen vor und hängt mit der Lehre von der Wiedergeburt eng zu-
sammen: die Welt selbst ist der eine große Strafort, in den die
Seele des Sünders immer von neuem geboren wird1. Aber vor
ihrem Untergang erlöst Ormuzd alle, die ihn anrufen, und führt
sie in die neue Welt hinüber. Neben ihr entwickelt sich endlich
die dritte Anschauung, die für alle Verstorbenen eine gemeinsame
außerweltliche oder überweltliche Hölle, einen Gefängnisort
kennt, in dem sie bis zum Weltuntergang und dem Endgericht
bleiben; der Gedanke der Wiedergeburt ist aufgegeben. Als
Probe der zweiten Anschauung führe ich einen manichäischen
Text, das im Norddialekt, der Reichssprache der Arsaciden, ver-
faßte Berliner Fragment M2 an, aus dem Prof. F.W. K. Müller
Sitzungsberichte d. Berk Ak. 1905 S. 1081 einen Satz übertragen
hat, nach der Übersetzung von Prof. Andreas2:
M2 rec.to, col. 1, Z. 2 ff.:
,,Und nachdem die kampfbegierigen Götter ihre Welt und,
was mit ihnen gleichen Ursprungs (oder „Wesens“) ist, inner-
halb der großen Erde gerufen und aufgestellt (haben), bringen
und führen sie (sie) unter Gebetsegenspruch nach der neuen Welt
und lassen (sie) dort sich niederlassen in der Weise, wie Nomaden
(wörtl. „Zeltbewohner“), die mit ihren Zelten, Lasttieren und. ....
von Ort zu Ort (ziehend) (ihre Zelte) aufschlagen und (wieder) ab-
brechen.
Aber jene Lichtkraft, die sich mit der Finsternis so vermischt,
daß sie davon nicht wieder abgetrennt wird, hat infolge dessen
nichts wesensgleiches. Deswegen weil sie von früher her voraus-
gesehen (?) (hatte): was ist mein Geschaffenwerden? Und aus
diesem Grunde (ward) sie von ihnen (? den Göttern) nicht als
1 Auch in den mandäischen Totentexten waltet diese Vorstellung
" nicht ganz selten: immer wieder wird die Seele geboren und den Verfolgungen
der Archonten in der Welt ausgesetzt. Die Welt selbst ist die Hölle.
2 In den von Prof. And reas hier und auf S. 46.48. 50. übersetzten mani-
chäischen Fragmente aus Turfan bezeichnen Punkte.eine unaus-
füllbare Lücke in der Handschrift, ein Strich — ein einstweilen unüber-
setzbares Wort; in eckige Klammern [] gesetzte Wörter sind Ergänzungen
von Lücken, während zur Verdeutlichung eingefügte Wörter in runden
Klammern ( ) stehen. Der vollständige Text der übersetzten Stücke wird
mit Übersetzung und ausführlichen Anmerkungen an anderer Stelle ver-
öffentlicht werden.
R. Reitzenstein:
von Sündern. Die zweite liegt uns rein in manichäischen Darstellun-
gen vor und hängt mit der Lehre von der Wiedergeburt eng zu-
sammen: die Welt selbst ist der eine große Strafort, in den die
Seele des Sünders immer von neuem geboren wird1. Aber vor
ihrem Untergang erlöst Ormuzd alle, die ihn anrufen, und führt
sie in die neue Welt hinüber. Neben ihr entwickelt sich endlich
die dritte Anschauung, die für alle Verstorbenen eine gemeinsame
außerweltliche oder überweltliche Hölle, einen Gefängnisort
kennt, in dem sie bis zum Weltuntergang und dem Endgericht
bleiben; der Gedanke der Wiedergeburt ist aufgegeben. Als
Probe der zweiten Anschauung führe ich einen manichäischen
Text, das im Norddialekt, der Reichssprache der Arsaciden, ver-
faßte Berliner Fragment M2 an, aus dem Prof. F.W. K. Müller
Sitzungsberichte d. Berk Ak. 1905 S. 1081 einen Satz übertragen
hat, nach der Übersetzung von Prof. Andreas2:
M2 rec.to, col. 1, Z. 2 ff.:
,,Und nachdem die kampfbegierigen Götter ihre Welt und,
was mit ihnen gleichen Ursprungs (oder „Wesens“) ist, inner-
halb der großen Erde gerufen und aufgestellt (haben), bringen
und führen sie (sie) unter Gebetsegenspruch nach der neuen Welt
und lassen (sie) dort sich niederlassen in der Weise, wie Nomaden
(wörtl. „Zeltbewohner“), die mit ihren Zelten, Lasttieren und. ....
von Ort zu Ort (ziehend) (ihre Zelte) aufschlagen und (wieder) ab-
brechen.
Aber jene Lichtkraft, die sich mit der Finsternis so vermischt,
daß sie davon nicht wieder abgetrennt wird, hat infolge dessen
nichts wesensgleiches. Deswegen weil sie von früher her voraus-
gesehen (?) (hatte): was ist mein Geschaffenwerden? Und aus
diesem Grunde (ward) sie von ihnen (? den Göttern) nicht als
1 Auch in den mandäischen Totentexten waltet diese Vorstellung
" nicht ganz selten: immer wieder wird die Seele geboren und den Verfolgungen
der Archonten in der Welt ausgesetzt. Die Welt selbst ist die Hölle.
2 In den von Prof. And reas hier und auf S. 46.48. 50. übersetzten mani-
chäischen Fragmente aus Turfan bezeichnen Punkte.eine unaus-
füllbare Lücke in der Handschrift, ein Strich — ein einstweilen unüber-
setzbares Wort; in eckige Klammern [] gesetzte Wörter sind Ergänzungen
von Lücken, während zur Verdeutlichung eingefügte Wörter in runden
Klammern ( ) stehen. Der vollständige Text der übersetzten Stücke wird
mit Übersetzung und ausführlichen Anmerkungen an anderer Stelle ver-
öffentlicht werden.