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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0065
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 65
dition der Gestaltung des Kirchengrundrisses ab1; alle weitere Ent-
wicklung nimmt ihren Ausgang von dem neuen Schema, dessen
Aufkommen wir wohl mit Recht mit der von den fränkischen
Herrschern vertretenen Politik der Angleichung der Reichskirche
an römische Überlieferungen2 werden in Verbindung bringen dürfen.
Die Neuorganisation der fränkischen Kirche im Anschluß an Rom
hat auch in der Tatsache der Übernahme des in Rom von den
gefeiertsten Gotteshäusern der Christenheit vertretenen Kirchen-
grundrisses ihren Ausdruck gefunden. Charakteristisch bleibt,
den beiden Nebengrüften als Fundamentschicht“ jenseits der auf dem Plan
angegebenen Demarkationslinie nach Osten unter dem romanischen Überbau
fort. Lag bei den so erreichten Punkten schon der östliche Abschluß der ein-
zelnen Gelasse, so erhielte man eine Anlage mit über die schmaleren seit-
lichen Nebenräume nach Osten vorspringendem mittleren Ghorraum, für dessen
Ostwand halbrunde oder gerade Gestalt anzunehmen wäre. Je nachdem
wäre der Grundriß dem älteren oder dem jüngeren Typus fränkischer Zeit
zuzuweisen. Völlige Klarheit läßt sich nicht erreichen. Die gleiche Unsicher-
heit bleibt aber auch bei abweichender Ansetzung der östlichen Ausdehnung
der ursprünglichen Anlage bestehen. An und für sich würde man nach dem
BouRschen Plan geneigt sein, die seitlichen Kryptenmauern sich ostwärts
bis in Höhe der wohlerhaltenen östlichen Abschlußmauer S des, wie wir
sahen, ursprünglichen südlichen Anbaues erstrecken zu lassen, da dieser sonst
in einigermaßen unwahrscheinlicher Weise über die Ostfront der ganzen Anlage
vorgesprungen wäre. Möchte diese Hypothese nach dem baulichen Befund,
wie er in dem BouRschen Plan festgelegt ist, auch als die wahrscheinlichere er-
scheinen, so vermag doch auch sie die Unklarheit über die ehemalige Gestalt
des mittleren Chorschlusses nicht zu beseitigen. Damit fehlt das hauptsäch-
lichste Kriterium für eine genauere zeitliche Einreihung der aufgefundenen
Reste. Zweifellos gehört der Bau noch dem querhauslosen vorkarolingischen
Grundrißtypus an und die schon von Bour wahrscheinlich gemachte Ansetzung
in verhältnismäßig frühe fränkische Zeit, für die sich zudem auch die Mauer-
technik und Mörtelbeschaffenheit ins Feld führen ließe, erhält auf diese Weise
neue Bestätigung. Die Gründung des ursprünglich den Aposteln geweihten,
später nach dem hl. Arnulf benannten Stiftes fällt vermutlich ins 6. Jahr-
hundert; 643 wurden die Reliquien des hl. Arnulf hierher übertragen (vgl.
Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I, S. 256 und II, S. 827). Mit diesem
Datum könnte die Errichtung der 1905 aufgedeckten Reste des ältesten Baues
wegen der Kryptenanlage in Verbindung zu bringen sein. Um so mehr ist zu
bedauern, daß bei der Grabung keine Gewißheit über die Gestalt des mitt-
leren Chorabschlusses erzielt werden konnte, als gerade diese Zeit in den
Ländern nördlich der Alpen für den Übergang vom älteren zum jüngeren
querhauslosen Basilikengrundriß in Betracht zu kommen scheint.
1 Nur für Anlagen geringeren Umfanges hat sich in einzelnen Gegenden
der Länder nördlich der Alpen der alte querhauslose Grundriß in bestimmter
Fortbildung bis in romanische Zeit behauptet.
2 Vgl. Hauck, Deutschlands Kirchengeschichte II (1912), S. 35ff.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 21. Abh.
 
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