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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0066
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66

G. Weise:

daß anscheinend gerade an dem Hofe nahestehenden oder vom
König selbst errichteten Bauten das neue Schema, wenigstens bei
uns im westlichen Deutschland, zuerst in Anwendung gekommen
ist1. Überzeugender noch werden diese Zusammenhänge, wenn der
Nachweis gelingt, daß die erstmalige Übernahme des römischen
Grundrißtypus sich an die Errichtung des von Pippin zu seiner
Grabeskirche bestimmten Gotteshauses in St. Denis knüpft und
an einen Akt, der in besonderer Weise den Bund zwischen dem
fränkischen Königtum und dem päpstlichen Stuhl zum Ausdruck
brachte.
Durch die von Viollet-le-Duc vorgenommenen Grabungen
ist in St. Denis als ältester Bau eine Anlage mit seitlich weit aus-
ladendem Querhaus und sich unmittelbar an dieses lehnender
Chorapside festgestellt worden2. Das Schema der römischen
Basiliken tritt uns hier in reinster Form entgegen3. Neuere Unter-
suchungen haben gezeigt, daß diese Mauerreste nicht älter als
Mitte des 8. Jahrhunderts sein können, daß sie von dem unter
Pippin und Karl dem Großen errichteten Neubau der Kloster-
kirche stammen müssen, der sich als älteste Anlage an dem heutigen
Platze erhob4. Das ursprüngliche, durch Dagobert erneuerte
Kloster ist an dem später St. Denis de l’Estree genannten Ort
bei der anfänglichen Begräbnisstelle des Heiligen zu suchen5.
1 So in Ingelheim, Steinbach, Seligenstadt, St. Alban in Mainz usw.
Vgl. meine „Untersuchungen“, S. 138.
2 Vgl. Viollet-le-Duc, L’eglise imperiale de St. Denis, Revue archeo-
logique, Nouv. s6rie III (1861), S. 302ff. und Dictionnaire raisonne de l’archi-
tecture fran^aise IX, S. 215 u. 217.
3 Vgl. den von Dehio und v. Bezold, Taf. 42, gegebenen rekonstruierten
Grundriß. Als Westabschluß des karolingischen Querhauses sind die auf
dem Plan Viollet-le-Duc’s bei a und H eingezeichneten Mauerreste zu
betrachten.
4 Vgl. Levillain, Les plus anciennes eglises abbatiales de St. Denis,
Mem. de la soc. de l’histoire de Paris 36 (1909), S. 143ff.
5 Levillain greift in der angeführten Untersuchung späterer Beweis-
führung, die das vollständige historische Quellenmaterial bringen soll, durch
einzelne Hinweise vor. Seiner ablehnenden Haltung gegenüber den etwa
gleichzeitig von Maitre, Le Gülte de saint Denis et de ses compagnons (Rev.
de l’art chr6t. 1909) vorgebrachten Behauptungen über das Verhältnis des
karolingischen Baues der Klosterkirche zum vorangehenden merowingischen
kann ich nur voll und ganz zustimmen. Deutlich ergibt sich aus der Ur-
kunde Chlodwigs II. vom 22. Juni 654 (Havet, Oeuvres I, S. 237), daß im
genannten Jahre, also nach Dagoberts Bautätigkeit, das Kloster sich noch
an der ursprünglichen Begräbnisstelle des Heiligen erhob. Von einer be-
 
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