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Warburg, Aby Moritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 26. Abhandlung): Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37732#0010
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10

A. Warburg:

sogenannten Spruch aus dem Hause des Elias, durch den der welt-
geschichtliche Verlauf in drei Perioden zu 2000 Jahren eingeteilt
wird, den Aufbau des erst durch seine Mitwirkung für die deutsche
Geschichtsauffassung so einflußreichen, frühesten deutschen welt-
geschichtlichen Handbuches, Carions Chronica8. Das muß er in
einer Zeit tun, wo ihn die Überarbeitung der Augshurgischen Kon-
fession mit der schwersten Verantwortung belastet; denn seit
dem 30. April ist das kaiserliche Ultimatum an die Protestanten
abgelaufen, und nun droht, was Melanchthon mit aller Macht zu
verhindern bestrebt war, bewaffneter Zusammenstoß zwischen
schmalkaldischem Bund und Karl V. Hierüber wünscht offenbar
Carion, der ja der diplomatische Agent der Brandenburger war,
genauer unterrichtet zu werden, und Melanchthon behandelt ihn
dabei schon — das ist bemerkenswert — durchaus als Partei-
gänger der schmalkaldischen Seite. Aber Melanchthon ist hier
nicht ein trockener politischer Chronist; die quälende Sorge um
die Erhaltung des Friedens ruft bei ihm einen akuten Anfall seiner
kosmologischen Wundergläubigkeit hervor: hierbei ist er Carion
gegenüber nicht mehr der überlegene, raterteilende Gelehrte; er
naht sich dem biederen9 Carion wie ein trostsuchender Patient,
und konsultiert ihn als sachverständigen Magus in astrologisch-
prophetischen Dingen. So schickt er ihm die Genesis seiner eben
geborenen Tochter doch gewiß nicht ohne den Wunsch, daß er sie
begutachten möge, und verlangt, wie er ausdrücklich in seinem
Brief sagt, ein Urteil über seine (Melanchthons) Gedanken über
Astronomie und Astrologie, wie er sie z. B. soeben in der Ein-
leitung zu Sac.robosco10 veröffentlicht hatte. Vor allem aber soll
er ihn über den Kometen beruhigen, der im August erschien — es
war der Halleysche —, der ganz Deutschland und Melanchthon
noch ganz besonders erschreckte, weil es der erste war, den er je
gesehen hatte. Dafür teilte er ihm auch mit, was andere berühmte
Astrologen seiner Zeit zur allgemeinen Lage prophezeiten. Johann
Vir düng aus Haßfurt, den er nennt, überschattet Melanchthons
Leben ja schon seit seiner Geburt mit seinen Warnungen; denn
er hatte ihm damals auf Wunsch des Vaters gleich die Nativität
gestellt, die z. B. die Warnung vor dem Norden und der Ostsee
8 Siehe Beil. A. I. Anm. 135.
9 24. ( ?) Juni 1531: candidus et Suevicae simplicitatis plurimum referens
(CR. II. 505).
10 CR. II. 530ff., geschrieben im August 1531.
 
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