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A. Warburg:
Es scheint nun, als ob auf protestantischer Seite Spalatin,
der Vertrauensmann Luthers und des Kurfürsten Friedrich des
Weisen, diese Pressepolitik durch astrologische oder monstrologische
Warnungsbilder ausdrücklich förderte als „künstliche“ oder
„wunderliche“ Weissagung. Schon daß er sich bereits 1519 ein
Gutachten über die große Konstellation von 1484 kommen ließ64,
sowie ferner, daß er von Luther selbst jene Auskunft über seine
italienische Nativität verlangte65, weist darauf hin, daß Spalatin
sich in dem Ideenkreise bewegte, dem jene Weissagungsflugschrift
von Johann Lichtenberger angehört, die Luther mit einer
eigenen Vorrede herausgegeben hat. Sie erschien, von Stephan
Roth aus dem Lateinischen übersetzt, mit Holzschnitten von
Lemberger bei Hans Lufft zu Wittenberg 15 2 766.
In dieser Vorrede67 wird der unzweifelhaft astrologische Charak-
ter ausdrücklich in den Hintergrund geschoben. Die 43 Bilder sollen
eigentlich nur als selbständiges Warnungszeichen für schlechte
Christen gelten, um vor allem die Pfaffen aufzurütteln, die, seit-
dem nun auch der Bauernkrieg 1525 an ihnen glücklich vorbei-
gegangen sei, sich vor den Strafandrohungen nicht mehr ängstigen.
— Die Geistlichen und ebenso die Fürsten, alle die „großen Han-
sen“, hatten allerdings Grund, dieses Buch zu fürchten, da es
die Ideen der Reformation in Kirche und Staat in einem wunder-
lichen Gemisch von dunklen Rätselbildern und klar ausgespro-
chenen Drohungen und Forderungen vortrug. Seit etwa 1490 ist
diese Schrift, die zuerst lateinisch erschien, unzählige Male, auch
in Übersetzungen, wieder aufgelegt und ernsthaft als Orakel in
schwierigen Zeitläuften befragt worden. Noch 1806 nach der
Schlacht bei Jena hat man dieses sibyllinische Buch befragt68.
Diese Prophezeiung wurzelt tief in astrologischem Erd-
reich ; fanatischer Sternglaube knüpft an eine ganz bestimmte
64 Joh. Erh. Kapp, Kleine Nachlese einiger ... zur Erläuterung der
Reformations-Geschichte nützlicher Urkunden (Leipzig 1727) II. 511.
65 Vgl. S. 16 und Anm. 25.
66 Die weissagunge Johannis Lichtenbergers deudsch/zugericht mit vleys
Sampt einer nützlichen Vorrede vnd vnterricht D. Martini Luthers / Wie
man die selbige vnd dergleichen weissagunge vernemen sol. Wittemberg,
Hans Lufft. 1527.
67 Siehe den vollständigen Textabdruck in Beil. C. Die Vorrede ist
in der Weimarer Ausg. Bd. 23, S. 1 —12 enthalten.
68 Vgl. Ebert, Bücherlexikon. Bemerkung zu Nr. 11 972 (einer holl.
Lichtenberger-Ausg. von 1810).
A. Warburg:
Es scheint nun, als ob auf protestantischer Seite Spalatin,
der Vertrauensmann Luthers und des Kurfürsten Friedrich des
Weisen, diese Pressepolitik durch astrologische oder monstrologische
Warnungsbilder ausdrücklich förderte als „künstliche“ oder
„wunderliche“ Weissagung. Schon daß er sich bereits 1519 ein
Gutachten über die große Konstellation von 1484 kommen ließ64,
sowie ferner, daß er von Luther selbst jene Auskunft über seine
italienische Nativität verlangte65, weist darauf hin, daß Spalatin
sich in dem Ideenkreise bewegte, dem jene Weissagungsflugschrift
von Johann Lichtenberger angehört, die Luther mit einer
eigenen Vorrede herausgegeben hat. Sie erschien, von Stephan
Roth aus dem Lateinischen übersetzt, mit Holzschnitten von
Lemberger bei Hans Lufft zu Wittenberg 15 2 766.
In dieser Vorrede67 wird der unzweifelhaft astrologische Charak-
ter ausdrücklich in den Hintergrund geschoben. Die 43 Bilder sollen
eigentlich nur als selbständiges Warnungszeichen für schlechte
Christen gelten, um vor allem die Pfaffen aufzurütteln, die, seit-
dem nun auch der Bauernkrieg 1525 an ihnen glücklich vorbei-
gegangen sei, sich vor den Strafandrohungen nicht mehr ängstigen.
— Die Geistlichen und ebenso die Fürsten, alle die „großen Han-
sen“, hatten allerdings Grund, dieses Buch zu fürchten, da es
die Ideen der Reformation in Kirche und Staat in einem wunder-
lichen Gemisch von dunklen Rätselbildern und klar ausgespro-
chenen Drohungen und Forderungen vortrug. Seit etwa 1490 ist
diese Schrift, die zuerst lateinisch erschien, unzählige Male, auch
in Übersetzungen, wieder aufgelegt und ernsthaft als Orakel in
schwierigen Zeitläuften befragt worden. Noch 1806 nach der
Schlacht bei Jena hat man dieses sibyllinische Buch befragt68.
Diese Prophezeiung wurzelt tief in astrologischem Erd-
reich ; fanatischer Sternglaube knüpft an eine ganz bestimmte
64 Joh. Erh. Kapp, Kleine Nachlese einiger ... zur Erläuterung der
Reformations-Geschichte nützlicher Urkunden (Leipzig 1727) II. 511.
65 Vgl. S. 16 und Anm. 25.
66 Die weissagunge Johannis Lichtenbergers deudsch/zugericht mit vleys
Sampt einer nützlichen Vorrede vnd vnterricht D. Martini Luthers / Wie
man die selbige vnd dergleichen weissagunge vernemen sol. Wittemberg,
Hans Lufft. 1527.
67 Siehe den vollständigen Textabdruck in Beil. C. Die Vorrede ist
in der Weimarer Ausg. Bd. 23, S. 1 —12 enthalten.
68 Vgl. Ebert, Bücherlexikon. Bemerkung zu Nr. 11 972 (einer holl.
Lichtenberger-Ausg. von 1810).