Metadaten

Warburg, Aby Moritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 26. Abhandlung): Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37732#0041
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. 41

ein kleiner Mönch, von vorn gesehen — ist von alter Hand, die
wohl noch aus dem 16. Jahrhundert stammt, plattdeutsch hinzu-
gefügt: ,,Dyth is Martinus Luther“ und ,,Philippus Melanton“.
Ohne kulturwissenschaftliche Zusammenhangskunde würde man
in diesen Beischriften zu einem vom Teufel besessenen Mönch nichts
als die haßerfüllte Äußerung eines abgesagten Gegners Luthers
sehen. Das stimmt nicht ganz. Auch die Freunde konnten, auf
wo die Fixsterne für eine Heilbringerkonstellation der Planeten wie geschaffen
sind. Wie weit hier hellenistisch-arabische Tradition einwirkt, bleibt zu unter-
suchen; Picatrix (vgl. Saxl, Beiträge usw. Islam III [1912], S. 1721) schreibt
z. B. dem Jupiter-Verehrer ein weißes Mönchsgewand mit Kapuze vor. Für
die unmittelbare, eigentliche, antikisierende Fixsternbild-Überlieferung sei
hier nur darauf hingewiesen, daß Lichtenberger von dem Propheten sagt:
„Vnd wie ein Scorpion / der des Martis haus ist ynn dieser Coniunction vnd
finsternis / wird er die gifft / so er ym schwantz hat / offt ausgießen“(Wittem-
berg 1527, fol. Pv). In der Ausgabe von Modena (Maufer 1492, Berlin Staats-
bibi.) hat der Kapuzenzipfel ein auffällig stachelartiges Ende. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, daß eine astrologische Bilderhandschrift aus dem Kreise
des Königs Alfonso, deren Entdeckung im Jahre 1911 in der Vaticana zu Rom
(Reg. 1283) der Verf. der steten Hilfsbereitschaft von Pater Ehrle und Barto-
lomeo Nogara verdankt, die Brücke zwischen deutschen spätmittelalter-
lichen Vorstellungen und dem arabisierenden, antikischen Gelehrtenkreis zu
Toledo schlägt. In dieser Handschrift ist unter anderem ein wahrsagender
Monatskalender (vgl. Taf. III) enthalten, der in Kreisform, auf 30 Grade radial
verteilt, Figuren mit Wahrsagesprüchen enthält, die, obgleich bis zur Un-
kenntlichkeit realistisch mittelalterlich auftretend, Nachläufer der Sphaera des
Teukros sind, also aus echt antiker, astraler oder kultlicher Götterverehrung
stammen. So ist, was ich nur streiflichtweise im Zusammenhang mit dem
Asklepios-Luther erwähnen will, auf Bl. 7 der Scorpio als Beherrscher seiner
30 Grade aufgefaßt. Hier finden sich in den einzelnen Abteilungen, aus dem
Asklepioskult unbewußt überlebend, aber deutlich erkennbar, die Schlange,
die Kuchen, der Brunnen, der Tempelschlaf und der Kopf des Asklepios
selbst. Diese Schicksalshieroglyphen für jeden Tag des Monats münden nun
über Pietro d’Abano, den Inspirator des Salone zu Padua, in das Astrolabium
planum, das Johann Engel zuerst bei Ratdolt in Augsburg 1488, später in
Venedig herausgab, ein (Joh. Angelus: Astrolabium planum in tabulis ascen-
dens, Augsburg, Erhard Ratdolt, 1488; Venedig, Johann Emerich de Spira
1494; vgl. dazu die Bilderhandschrift des Leovitius für Ottheinrich in der
Bibliothek von Heidelberg Palat. germ. 833 Bl. 65v). Der Mann mit dem
Scorpion in der Hand findet sich z. B. (vgl. Taf. IV) beim 11. Grad, der mit
der Schlange beim 13. identisch im Astrolabium unter Grad 11 und 12. Es
darf also die Wanderstraße solcher heidnischer, kosmologischer Orakel als
ganz gesichert gelten für den, der das Problem der „dämonologischen Bilder-
wanderung von Osten nach Westen und vom Süden nach Norden“ in den
Grundzügen — was der Verf. hier nur noch flüchtig zu skizzieren vermag —
erfassen will.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften