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A. Warburg:
Luther selbst gestützt77, das Bild zugunsten des Reformators inter-
pretieren, wenn es auch bekannt ist, daß die papistischen Streiter
wider Luther zu allen Zeiten den Teufel bis zum Ekel mit Luther
in höchst persönliche Verbindung gebracht haben; er sollte ja
sogar als lncubus sein leiblicher Vater gewesen sein. So besitzen
wir von dem streitbarsten Antilutheraner Cochlaeus eine giftige
Verquickung von Luther mit diesem Lichtenbergischen Mönch.
Schon 1534 flucht er in seinen neuen „Schwärmereien“ folgender-
maßen: „Hoff auch / er\Luther] sols auf XX. Jahr nicht bringen/
Sonder im XIX. jar (wie Lichtenberger von jm schreybt) sol er zu
boden gehen / der vnselig Münch / der den Teuffel auf der achsein
tregt / in Liechtenbergers Practica“.78 Cochlaeus wendet also Bild
und Inhalt auf Luther an wie in einer ganz geläufigen Anspielung,
die sich sogar anhört, als ob er einer anderen, Luther günstigen
Auslegung entgegenwirken wolle.
Ein Jahr später hat der Kardinal Vergerio den gefährlichen
und gebannten Mönch in Wittenberg aufgesucht und seinen Ein-
druck mit folgenden Worten beschrieben. Er schreibt an Rical-
cati am 13. November 1535: „...et veramente che quanto piü
penso a quel che ho veduto et sentito in quel monstro et alla gran
forza delle sue maladette operationi, et coniungendo quello che
10 so della sua nativitä et di tutta la passata vita da persone che
11 erano intimi amici sino a quel tempo che se fece frate, tanto
piü mi lascio vincere a credere che egli habbia qualche demonio
adosso !“79
Die Beschreibung Vergerios wirkt schon rein äußerlich wie
eine verblüffend getreue Unterschrift zum Mönchspropheten bei
Lichtenberger; Vergerio selbst aber gibt noch einen weiteren
Beweis dafür, daß er auch den Text Lichtenbergers gleichzeitig
im Kopfe hatte. Er hat, wie er schreibt, über die „nativitä“ allerlei
Verdächtiges gehört. Mit „Geburt“ ist das m. E. nicht richtig
übersetzt; es bedeutet hier vielmehr 'die Nativität, d. h. die
Geburtskonstellation Luthers. Diese aber wurde ja gerade damals
in Wittenberg, noch dazu von einem italienischen Astrologen, in
77 Siehe weiter unten S. 44 f.
78 Johafi Cocleus, Von newen Schwermereyen sechs Capitel. Leiptzig,
Michael Blum 1534 Bl. dij.v0.
79 Nuntiaturberichte aus Deutschland . . herausgeg. durch d. k. preuß.
hist. Inst, in Rom, I. Abt., 1. Bd. Walter Friedensburg, Nuntiaturen des
Vergerio 1533—1536 (Gotha 1892), S. 541.
A. Warburg:
Luther selbst gestützt77, das Bild zugunsten des Reformators inter-
pretieren, wenn es auch bekannt ist, daß die papistischen Streiter
wider Luther zu allen Zeiten den Teufel bis zum Ekel mit Luther
in höchst persönliche Verbindung gebracht haben; er sollte ja
sogar als lncubus sein leiblicher Vater gewesen sein. So besitzen
wir von dem streitbarsten Antilutheraner Cochlaeus eine giftige
Verquickung von Luther mit diesem Lichtenbergischen Mönch.
Schon 1534 flucht er in seinen neuen „Schwärmereien“ folgender-
maßen: „Hoff auch / er\Luther] sols auf XX. Jahr nicht bringen/
Sonder im XIX. jar (wie Lichtenberger von jm schreybt) sol er zu
boden gehen / der vnselig Münch / der den Teuffel auf der achsein
tregt / in Liechtenbergers Practica“.78 Cochlaeus wendet also Bild
und Inhalt auf Luther an wie in einer ganz geläufigen Anspielung,
die sich sogar anhört, als ob er einer anderen, Luther günstigen
Auslegung entgegenwirken wolle.
Ein Jahr später hat der Kardinal Vergerio den gefährlichen
und gebannten Mönch in Wittenberg aufgesucht und seinen Ein-
druck mit folgenden Worten beschrieben. Er schreibt an Rical-
cati am 13. November 1535: „...et veramente che quanto piü
penso a quel che ho veduto et sentito in quel monstro et alla gran
forza delle sue maladette operationi, et coniungendo quello che
10 so della sua nativitä et di tutta la passata vita da persone che
11 erano intimi amici sino a quel tempo che se fece frate, tanto
piü mi lascio vincere a credere che egli habbia qualche demonio
adosso !“79
Die Beschreibung Vergerios wirkt schon rein äußerlich wie
eine verblüffend getreue Unterschrift zum Mönchspropheten bei
Lichtenberger; Vergerio selbst aber gibt noch einen weiteren
Beweis dafür, daß er auch den Text Lichtenbergers gleichzeitig
im Kopfe hatte. Er hat, wie er schreibt, über die „nativitä“ allerlei
Verdächtiges gehört. Mit „Geburt“ ist das m. E. nicht richtig
übersetzt; es bedeutet hier vielmehr 'die Nativität, d. h. die
Geburtskonstellation Luthers. Diese aber wurde ja gerade damals
in Wittenberg, noch dazu von einem italienischen Astrologen, in
77 Siehe weiter unten S. 44 f.
78 Johafi Cocleus, Von newen Schwermereyen sechs Capitel. Leiptzig,
Michael Blum 1534 Bl. dij.v0.
79 Nuntiaturberichte aus Deutschland . . herausgeg. durch d. k. preuß.
hist. Inst, in Rom, I. Abt., 1. Bd. Walter Friedensburg, Nuntiaturen des
Vergerio 1533—1536 (Gotha 1892), S. 541.