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A. Warburg:
der weit“) heißt es: „Eine newe kranckheit / die Frantzosen /
von etlichen aber / die Hispanische seuche genant / komet auff /
vnd wie man sagt / sie ist aus den newgefundenen Jnsulen in
Occidente / in Europam gebracht. Ist eins von den großen
Zeichen vor dem Jüngsten tage Vnd vnter diesem Maximiliano
sind im himel wunderbarliche Zeichen / vnd derselben viel /
geschehen / dazu auch auff erden / vnd in wassern / von welchen
Christus sagt / Es werden grosse Zeichen sein etc. Also / das von
keiner zeit gelesen wird / darin mehr vnd größere zugleich geschehen
weren / Die vns gewisse hoffnung geben / das der selige tag hart
für der thüre sey.“
Ein Blatt wie das von Grünpeck100, auf dem sich eine Gruppe
von Monstrositäten aus der Zeit Maximilians (der — bildnisgetreu
dargestellt —als Zuschauer daheisteht) vereinigt vorfinden, könnte
Luther dabei unmittelbar als Grundlage gedient haben.
Freilich blieben die auf die Welt gerichteten Divinationskünste
der Menschen bei Luther trotz allem doch nur ein untergeordnetes
Hilfsmittel, der höchsten Weissagungsform gegenüber, dem von
innen berufenen und religiös erlebten Prophetentum, wie er es
seinen Feinden in Augenblicken höchster Gefahr entgegensetzte:
„weil jch der Deudschen Prophet bin (Denn solchen hoffertigen
namen mus jch mir hinfurt selbs zu messen, meinen Papisten und
Eseln zur lust und gefallen).“ So sprach er 1531 in der „Warnung
an seine lieben Deutschen“, als er den Zaghaften Mut zum Wider-
stand gegen die kaiserliche Übergrifflichkeit einflößen mußte.
Die spätere protestantische Geschichtsschreibung war in den
Lectiones memorabiles des Johannes Wolf101 freilich doch noch so
tief und heidnisch in die abergläubisch verehrende Bewertung der
Monstra versunken, daß sie die Weltgeschichte gleichsam auf
Schienen ablaufen läßt, an denen die Weltmirakel wie Wärter-
häuschen stehen.
Im Zeitalter des deutschen Humanismus führte nun von dieser
weissagenden Bilderpraktik, die man höchstens als ein religions-
100 In einem Codex von 1502 der Innsbrucker Univ.-Bibl. Vgl. Beschr.
Verz. d. ill. Handschr. in Österr., herausgeg. von Fr. WickHoff. I. Bd.:
Herm. Jul. Hermann, Die ill. Handschr. in Tirol (Leipzig 1905), Nr. 314.
Abb. ebda. S. 194.
101 Lectiones memorabiles, Lauingen 1600. I. Bd. 1012 Seiten; II. Bd.,
der sich auf das 16. Jahrh. bezieht, 1074 Seiten — die umfangreichste und
kirchengeschichtlich wertvollste Universalhistorie dieser Art.
A. Warburg:
der weit“) heißt es: „Eine newe kranckheit / die Frantzosen /
von etlichen aber / die Hispanische seuche genant / komet auff /
vnd wie man sagt / sie ist aus den newgefundenen Jnsulen in
Occidente / in Europam gebracht. Ist eins von den großen
Zeichen vor dem Jüngsten tage Vnd vnter diesem Maximiliano
sind im himel wunderbarliche Zeichen / vnd derselben viel /
geschehen / dazu auch auff erden / vnd in wassern / von welchen
Christus sagt / Es werden grosse Zeichen sein etc. Also / das von
keiner zeit gelesen wird / darin mehr vnd größere zugleich geschehen
weren / Die vns gewisse hoffnung geben / das der selige tag hart
für der thüre sey.“
Ein Blatt wie das von Grünpeck100, auf dem sich eine Gruppe
von Monstrositäten aus der Zeit Maximilians (der — bildnisgetreu
dargestellt —als Zuschauer daheisteht) vereinigt vorfinden, könnte
Luther dabei unmittelbar als Grundlage gedient haben.
Freilich blieben die auf die Welt gerichteten Divinationskünste
der Menschen bei Luther trotz allem doch nur ein untergeordnetes
Hilfsmittel, der höchsten Weissagungsform gegenüber, dem von
innen berufenen und religiös erlebten Prophetentum, wie er es
seinen Feinden in Augenblicken höchster Gefahr entgegensetzte:
„weil jch der Deudschen Prophet bin (Denn solchen hoffertigen
namen mus jch mir hinfurt selbs zu messen, meinen Papisten und
Eseln zur lust und gefallen).“ So sprach er 1531 in der „Warnung
an seine lieben Deutschen“, als er den Zaghaften Mut zum Wider-
stand gegen die kaiserliche Übergrifflichkeit einflößen mußte.
Die spätere protestantische Geschichtsschreibung war in den
Lectiones memorabiles des Johannes Wolf101 freilich doch noch so
tief und heidnisch in die abergläubisch verehrende Bewertung der
Monstra versunken, daß sie die Weltgeschichte gleichsam auf
Schienen ablaufen läßt, an denen die Weltmirakel wie Wärter-
häuschen stehen.
Im Zeitalter des deutschen Humanismus führte nun von dieser
weissagenden Bilderpraktik, die man höchstens als ein religions-
100 In einem Codex von 1502 der Innsbrucker Univ.-Bibl. Vgl. Beschr.
Verz. d. ill. Handschr. in Österr., herausgeg. von Fr. WickHoff. I. Bd.:
Herm. Jul. Hermann, Die ill. Handschr. in Tirol (Leipzig 1905), Nr. 314.
Abb. ebda. S. 194.
101 Lectiones memorabiles, Lauingen 1600. I. Bd. 1012 Seiten; II. Bd.,
der sich auf das 16. Jahrh. bezieht, 1074 Seiten — die umfangreichste und
kirchengeschichtlich wertvollste Universalhistorie dieser Art.