Vom göttlichen Wohlgeruch.
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wird der Wohlgeruch zum Symbol des Lebens im Jenseits, wie er
schon Zeichen des Lebens und der Freude im Diesseits ist. Es sind
also auch hier die gleichen Gegensätze von Leben und Tod in dem
Duftsymbol enthalten wie in Griechenland. Aber in Ägypten haben
sich — und das ist bezeichnend — die Vorstellungen, die dort nur
schwebende Hoffnung sind, zu festen Riten verdichtet und das
Duftsymbol an das kultische Handeln im Tempel oder in der
Grabstätte der Toten gebunden.
Weil Wohlgeruch Leben heißt und bedeutet, ist die Götter-
welt, die immer lebendige, von Wohlgeruch erfüllt; beide sind sie
Bilder des Lebens. Und so innig ist Gottheit und Duft in der
ägyptischen Anschauung verflochten, daß an Stelle der Salbe,
die ,,den Geruch des Toten verschönert“, ein Gott selbst genannt
werden kann. In dem erwähnten Ritual wird vorgeschrieben, zur
Salbung der Toten zu sprechen: „Horns an Dich, der als Myrrhenöl
aus Osiris kommt“1.
Ein besonderes Moment, das die ägyptische Duftvorstellung
von der griechischen unterscheidet2, ist der Gedanke vom Weih-
rauchduft der Götter. Wir können an dieser Stelle nicht erörtern,
ob der Ritus des Weihrauchopfers der Grund war, aus dem sich
die Vorstellung vom göttlichen Weihrauchduft bildete, oder diese
Vorstellung der Grund für das Weihrauchopfer; nur das scheint
einleuchtend, daß diese Erweiterung des Duftsymbols nicht aus
menschlicher Analogie stammt.
Von den ersten Anfängen an, bis zu denen wir die ägyptische
Religionsgeschichte zurückverfolgen können, erscheint der Weih-
rauch als ein göttlich zauberhaftes Mittel, Länder, Orte und
Menschen göttlich zu weihen, d. h. rituell zu reinigen und gegen
die Macht böser Dämonen zu feien3. Daher rührt wohl die über-
ragende Stelle, die das Opfer des Weihrauchs im Tempel- und
Totendienste erlangt hat; wie im Tempel bei jeder gottesdienst-
1 Roeder, a. a. 0. S. 298.
2 In Griechenland wird m. W. nur im Dionysoskult einmal von dem
Weihrauchduft gesprochen. Die begeisterten Bakchen spüren die Weihrauch-
düfte Syriens (Eur. Bacch. 142: Συρίας δ’ ώς Λιβάνου καπνός). Aber eben
hier erweist sich die Vorstellung als orientalisch.
3 S. z. B. bei Breasted, Records IV, 865; Memphis ist gereinigt mit . . .
Weihrauch; IV, 871: (die Duat-Kammer), sie ward gereinigt mit Weihrauch
und Opfer.
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wird der Wohlgeruch zum Symbol des Lebens im Jenseits, wie er
schon Zeichen des Lebens und der Freude im Diesseits ist. Es sind
also auch hier die gleichen Gegensätze von Leben und Tod in dem
Duftsymbol enthalten wie in Griechenland. Aber in Ägypten haben
sich — und das ist bezeichnend — die Vorstellungen, die dort nur
schwebende Hoffnung sind, zu festen Riten verdichtet und das
Duftsymbol an das kultische Handeln im Tempel oder in der
Grabstätte der Toten gebunden.
Weil Wohlgeruch Leben heißt und bedeutet, ist die Götter-
welt, die immer lebendige, von Wohlgeruch erfüllt; beide sind sie
Bilder des Lebens. Und so innig ist Gottheit und Duft in der
ägyptischen Anschauung verflochten, daß an Stelle der Salbe,
die ,,den Geruch des Toten verschönert“, ein Gott selbst genannt
werden kann. In dem erwähnten Ritual wird vorgeschrieben, zur
Salbung der Toten zu sprechen: „Horns an Dich, der als Myrrhenöl
aus Osiris kommt“1.
Ein besonderes Moment, das die ägyptische Duftvorstellung
von der griechischen unterscheidet2, ist der Gedanke vom Weih-
rauchduft der Götter. Wir können an dieser Stelle nicht erörtern,
ob der Ritus des Weihrauchopfers der Grund war, aus dem sich
die Vorstellung vom göttlichen Weihrauchduft bildete, oder diese
Vorstellung der Grund für das Weihrauchopfer; nur das scheint
einleuchtend, daß diese Erweiterung des Duftsymbols nicht aus
menschlicher Analogie stammt.
Von den ersten Anfängen an, bis zu denen wir die ägyptische
Religionsgeschichte zurückverfolgen können, erscheint der Weih-
rauch als ein göttlich zauberhaftes Mittel, Länder, Orte und
Menschen göttlich zu weihen, d. h. rituell zu reinigen und gegen
die Macht böser Dämonen zu feien3. Daher rührt wohl die über-
ragende Stelle, die das Opfer des Weihrauchs im Tempel- und
Totendienste erlangt hat; wie im Tempel bei jeder gottesdienst-
1 Roeder, a. a. 0. S. 298.
2 In Griechenland wird m. W. nur im Dionysoskult einmal von dem
Weihrauchduft gesprochen. Die begeisterten Bakchen spüren die Weihrauch-
düfte Syriens (Eur. Bacch. 142: Συρίας δ’ ώς Λιβάνου καπνός). Aber eben
hier erweist sich die Vorstellung als orientalisch.
3 S. z. B. bei Breasted, Records IV, 865; Memphis ist gereinigt mit . . .
Weihrauch; IV, 871: (die Duat-Kammer), sie ward gereinigt mit Weihrauch
und Opfer.