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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0026
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26

Ernst Lohmeyer:

seine Erwählten1, so ist doch nirgends ein Anklang des Duft-
symboles zu spüren. Aber das Bild von der Salbung durch den
Geist hat später im Urchristentum dem Bilde vom göttlichen
Duft den Weg ebnen können.
Von ungleich wirksamerer Bedeutung, aber von anderer
Wesensart als in der griechischen Religion ist das Duftsymbol
im Judentum.
Bei Jesus Sirach rühmt einmal die „Weisheit“ (24,15):
ώς χιννάμωμον καί ασπάλαθος άρωμάτοον δέδωκα οσμήν,
καί ώς σμύρνα εκλεκτή διέδωκα εύωδίαν,
ώς χαλβάνη καί ονυξ καί στακτή,
καί ώς λφάνου άτμίς έν σκηνή.
Die Worte zeugen von der alten griechischen Vorstellung,
daß im Wohlgeruch göttliche Wesenheit sich offenbare. Aber der
Duft, den die „Weisheit“ ausströmt, ist nicht der Duft einer gött-
lichen Leiblichkeit, der auf griechischem Boden die Epiphanie
der Gottheit versinnbildlichte, sondern es ist der Duft köstlicher
Würzbäume und -sträucher und der des heiligen Räucherwerks,
das im „Zelte“ Gott geopfert wird. Der erste Vergleich2 ist deut-
lich der hellenischen und jüdischen Vorstellung vom Paradies,
der Stätte, wo am Ende der Tage die Seligen ewig wohnen werden,
der zweite jüdischen Opfergedanken entlehnt. Wir erkennen hier
die beiden Wege, auf denen die griechische Anschauung vom gött-
lichen Dufte in die jüdische Frömmigkeit eingedrungen ist und
auch hier den Gedanken lebendig gemacht hat, daß himmlische
AVesen sich im Wohlgeruch offenbaren, wie hier die „Weisheit“,
selbst eine aus hellenistischem Empfinden geschaffene Gestalt.
Wir betrachten zunächst die Paradiesesvorstellung. Durchaus
den griechischen und persischen Bildern vom Lande der Seligen
entsprechend, ist auch das Paradies von überwältigenden Wohl-
gerüchen erfüllt. Ich führe nur einige typische Beispiele dafür an.
Auf seiner visionären Reise sieht Henoch3 „sieben herrliche Berge,
1 Bildlich begegnet sie z. B. Ps. 89, 21 (auch 45, 8). Der Charakter der
Unverletzlichkeit und Gottgeweihtheit, der dem Gesalbten durch die Salbung
zuteil wird (vgl. darüber Weinel, a. a. O. S. 32 f.) leitet darauf, daß ursprüng-
lich realere Vorstellungen geherrscht haben.
2 Er ist, soweit mir bekannt, vorgebildet nur in der oben S. 6 an-
gezogenen Philostrat us-Stelle.
3 Äthiop. Henoch, 24,3ff.: Übersetzung von G.Beer in Kautzsch, Die
Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments II, S. 254.
 
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