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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0037
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Vom göttlichen Wohlgeruch.

37

Und sprach: Wohl denen, o Herr, die in Deinem Lande gepflanzt
sind,
Und denen, die eine Stätte besitzen in Deinem Paradiese,
Und wachsen im Wachstum Deiner Bäume
Und fortgegangen sind von der Finsternis zum Lichte.

Viel Platz gibt es so in deinem Paradiese,
Und nichts unnützes ist darin,
Sondern alles ist voll von Früchten.
Preis sei Dir Gott, lieblicher Freude, die im Paradies ist in Ewigkeit!
Hallelujah!
Auch hier bleibt die Paradiesesvorstellung mit ihren gött-
lichen Bildern, aber es wird nicht unmittelbar von dem Duft des
himmlischen Gartens gesprochen; erst von ,,dem lieblichen Geruch
des Herrn“ — so wird man wohl deuten müssen — stammt der
,,Reichtum an lieblicher Freude“ im Paradies. Das Symbol selbst
ist der göttlichen Gestalt allein Vorbehalten, sein ursprünglicher
Sinn wird wieder lebendig, der liebliche Geruch offenbart die leib-
lich seelische Nähe des Herrn.
Es ist kein Zufall, daß gerade in der mystischen Frömmigkeit
der Oden Salomos, die brünstig ist, sich Gott ganz hinzugeben
und in der Hingabe Gott zu genießen, das Duftsymbol neue Gestalt
gewonnen hat. Denn gerade diese seelischste aller Frömmigkeiten
drängt nach Ausdruck in den sinnlichsten Formen der Erde, ihr
ist es nicht genug, vergeistigte Bezirke des menschlichen Lebens
zu durchseelen. Wie Gott alles ihr erfüllt, so erfüllt ihre Seele
alles und findet erst, wenn sie auch die äußersten und fremdesten
Auswirkungen des Leibes durchdrungen hat, Ruhe im All und in
Gott. In der Mystik dieser Oden ist die Sinnlichkeit der griechi-
schen Religiosität und die Lbersinnlichkeit der christlichen Ver-
bundenheit mit dem Herrn aufgehoben und erhoben zu übersinn-
lich-sinnlicher Beseeltheit.

2.
Wenn das Duftsymbol in den Anfängen des Christentums nur
spärlich Leben und Raum gewonnen hat, so hat es sich, immer
breiter und tiefer die mannigfaltigen verborgenen Beziehungen
seines Sinnes enthüllend, in den späteren christlichen Jahrhunderten
bis weit in das Mittelalter hinein entfaltet. Wir müssen darum
noch einen kurzen Blick auf diese Geschichte des Symboles werfen.
 
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