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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0049
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Vom göttlichen Wohlgeruch.

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konnte1. Im lateinischen Abendlande hat das Duftsymbol seine
zarteste Lebendigkeit gewonnen2. Der Duft, der bei allem heiligen
Sterben frei wird, ist der Duft der Seele, die vom Körper befreit,
in ihr göttlich gelöstes Dasein zurückkehrt3. Mit der ganzen poeti-
schen Kraft, aus der die mittelalterliche Legende geboren ist,
sind die sinnlichen Bilder irdischen Lebens zu Symbolen göttlicher
Wirklichkeit umgewandelt; das Rosenwunder der Heiligen ist nur
das bekannteste Zeugnis dafür. Wenn die Form dieser Verschmel-
1 Peregrin. Prot. 36: Dort streut Peregrinus, als das Feuer des Scheiter-
haufens angezündet wird, Weihrauch auf die Holzscheite. Vielleicht lehnt sich
aber dieser Brauch an alte Totenopferriten an ; vgl. Eitrem, Opferritus, S. 202 f.
2 Ebenso seine umfassendste Ausdeutung: Der Duft strömt von dem
Leichnam des verstorbenen Heiligen aus [z. B. Gregor v. Tours, Liber in gloria
Confessorum, c. 102, Mon. Germ. Hist. Script, rer. Merov. I, 813; Vita Memorii,
c. 7 (Script, rer. Merov. 111,104); Virtutes s. Gertrudis, c. 7 (Script, rer.
Merov. II, 464); Vita Oudalrici (Ende d. 10. Jhdts.), c.,27 (Mon. Germ. Hist.
Scriptores IV, 414); Acta Piatonis I, 24 (ActaSanct. 1 Okt. I, 24)] erfüllt das
Zimmer oder die Gruft, in dem der Verstorbene ruht ( Gregor v. Tours, a. a. 0.,
c. 83 (I, 802); Gregor d. Großen Dialog! IV, c. 14; de St. Servatio (ActaSanct.
13. Mai, III, 218 G); wirkt Heilwunder (z. B. Acta Reginswindis cap. 2, 19,
Acta Sanct. 15. Juli IV, S. 95). Auch Tiere spüren den Duft (Acta Marcianae;
Acta Sanct. 9. Jan. I, S. 569); verwandt ist, was aus dem 2. Jahrhundert die
Acta Pauli et Theclae berichten (c. 35), daß Frauen in die Arena, in der die zum
Tierkampf verurteilte Märtyrerin stand, wohlriechende Kräuter und Gewürze
geworfen hätten, wodurch die wilden Tiere in Schlummer sanken und die
Märtyrerin nicht berührten. — Eine Fülle von Beispielen aus späterer Zeit gibt
E. A. Stückelberg in dem zitierten Aufsatz: Der Geruch der Heiligkeit
(Schweiz. Archiv, f. Volkskunde XXII (1919), S. 203ff.). Um den Geruch der
Heiligkeit zu erklären, genügt es freilich nicht, wie hier geschieht, auf „reale
Verhältnisse, indem häufig bei den Leichen aromatische Beigaben, bei den
Reliquien allerlei Wohlgerüche mit beigeschlossen worden sind“, und auf die
Etymologie und den Sprachgebrauch des Wortes Geruch hinzuweisen. Der
Gedanke vom Wohlgeruch der Heiligen hat, wie sich aus allem bisher Aus-
geführten deutlich ergibt, weit zurückreichende Wurzeln religionsgeschicht-
licher Art; er ist ein katholischen Anschauungen anverwandeltes Erbgut aus
antiken „heidnischen“ Religionen.
3 z. B. Passio S. Benigni, c. 7 (Acta Sanct. 1. Nov. I, 153): Quo facto
columba nivea de ipso carcere a christianis ascendisse visa est usque nubibus
et pretiosa anima qualiter ascendit ad coelos fuit ostensa. Tantusque odor
suavitatis et metus in ipso loco refulsit, ut aestimarent se paradisi coloribus
collocari. Ebenso Vita S. Chrotildis, c. 14 (Mon. Germ. Hist., Script, rer.
Merov. II, 347 f.; 9.-10. Jahrhdt.). — Der Geruch erstreckt sich dann ebenso
auf die Reliquien der Heiligen. In dem Chr. Benedictorum von Meichelbeck
heißt es unterm Jahre 1053: Caeterum ex reliquiis Sanctorum saepe numero
odorem suavissimum fuisse emissum passim docent scriptores. Vgl. hierzu
auch Höfler, Der Geruch vom Standpunkte der Volkskunde in Weinholds
Zeitschrift für Volkskunde, 3 (1893), S. 438— 448.

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist Kl. 1919. 9. Abh.

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